Regisseur Michael Bay galt in den 90ern als Action-Wunderkind. Hintereinander inszenierte er „Bad Boys“, „The Rock“ und „Armageddon“ – alles Blockbuster erster Klasse. Sein Abstieg begann 2007 mit dem ersten „Transformers“-Film. Konnte der noch halbwegs gefallen, so war spätestens mit dem fünften Teil „Transformers: The Last Knight“ hier richtig die Luft raus. Und selbst eingefleischte Fans der Serie sprangen in Scharen ab. Auch „6 Underground„, den er danach für Netflix drehte, sprühte nicht eben vor intelligenter Handlung, auch wenn die Action – wie fast immer – durchaus überzeugte. Nun hat Bay Pause gemacht, bevor er er mit „Ambulance“ seinen neuen Film drehte. Hat ihm die gut getan? Das verrät die Kritik.
Die Handlung
Ex-Soldat Will (Yahya Abdul Mateen II) braucht dringend Geld. Seine Frau muss schnellstens operiert werden, um ihr eine Chance auf Heilung zu geben – und die Krankenversicherung weigert sich, die teure OP zu zahlen. In seiner Verzweiflung wendete sich Will an seinen Adoptiv-Bruder Danny (Jake Gyllenhaal), der ihrem gemeinsamen Vater als Gangster nacheifert. Weil Danny gerade ein großes Ding plant und ihm noch ein Crewmitglied fehlt, zieht er Will kurzerhand in die Sache hinein. Eine todsichere Sache soll es werden und 32 Millionen Dollar einbringen. Obwohl Will kein gutes Gefühl hat, lässt er sich seiner Frau zuliebe auf den Deal ein, der ihm alle Geldsorgen vom Hals schaffen würde.
Doch natürlich läuft nicht alles nach Plan, was in einer wilden Schießerei auf der Straße mit etlichen Toten und einem angeschossenen Cop (Jackson White) endet. Und einem Brüderpaar, das mit acht Millionen Dollar in einem Parkhaus in der Nähe der Bank festsitzt. Als ein Krankenwagen mit der Sanitäterin Cam (Eiza Gonzalez) den verletzten Polizisten einlädt, kommt Danny die Fluchtidee. Er kapert den Wagen, setzt seinen Bruder Will ans Steuer, weil der ein ausgezeichneter Fahrer ist, und versucht durch einen Deal mit einem alten Geschäftspartner seine Haut zu retten, obwohl die halbe Polizei von Los Angeles den Krankenwagen verfolgt. Doch damit ist für Danny und Will das Chaos noch lange nicht beendet …
Bays bester Film seit Jahren
Ambulance ist offiziell das Remake eines dänischen Thrillers mit gleichem Namen, der aber eine Stunde kürzer ist. Und den Fokus auf das Innere des Krankenwagens und die dort getroffenen Entscheidungen über Leben und Tod legt. Die spielen zwar auch in Bays Version eine Rolle, aber der US-Regisseur setzt natürlich andere Schwerpunkte als sein dänischer Kollege. Sein Film ist trotz im Vergleich zu früheren Werken deutlich geerdeten Story noch immer ein Action-Thriller und kein stilles Drama. Und als solcher ist der Film Bays beste Arbeit seit vielen Jahren. Denn es gelingt ihm, halbwegs glaubhafte Action so fiebrig und dynamisch zu inszenieren wie in seinen besten Tagen, ohne deshalb die alten Fehler zu wiederholen.
Ambulance ist für Bay-Verhältnisse erstaunlich unpatriotisch, er übt sogar offene Kritik am Umgang mit Veteranen und der Krankenversicherung in den USA im Allgemeinen. Zwar hebt er dafür die Rettungshelfer auf einen kleinen Sockel, aber das ist Heldenverehrung, mit der man als Zuschauer gut leben kann. Die Anzahl im Wind wehender US-Flaggen hat sich drastisch reduziert und Eiza Gonzales muss sich nicht lasziv über eine Motorhaube beugen, sondern darf ohne übertrieben sexy zu sein, eine echte Heldin spielen. Natürlich bleiben immer noch genug typische Bilder übrig, aber die zeigen meist Bays beste Eigenschaft – gute gemachte Action. Und dürften der Grund sein, warum die meisten Leute sich diesen Film ansehen werden.
Deutlich zu lang
Zwar übertreibt es Bay an der einen oder anderen Stelle ein wenig. So finden sich in der Mitte des Films etwa 15 Minuten, in denen Bay nur die Autoverfolgungsjagd aus möglichst vielen Blickwinkeln zeigt, ohne die Handlung auch nur ein wenig voranzutreiben. Aber die meisten seiner 135 Minuten verwendet Ambulance auf die Entwicklung seiner drei Hauptfiguren und dem halbwegs glaubwürdigen Aufbau spektakulärer Actionsequenzen. Und die filmt Bay mit allen Kameras, die ihm zur Verfügung standen. Vor allem mit Drohnen fängt er manche großartige Szene ein. Er übertreibt es aber auch hier ab und zu mit dem Einsatz der fliegenden Kameras.
Neben der Action wissen aber auch die Schauspieler zu gefallen. Allen voran Jake Gyllenhaal, der als charmanter Schurke eine starke Performance abliefert. Während man dem weltgewandten und umgänglichen Danny 90 Prozent des Films über wünscht, er möge irgendwie glimpflich aus der Sache herauskommen, macht Gyllenhaal dem Publikum in den verbleibenden zehn Prozent richtig Angst mit seinem psychopathischen Spiel. Yahya Abdul Mateen hingegen hält sich mit Emotionen sehr zurück und setzt so einen starken Gegenpol zum aufbrausenden Bruder. Eiza Gonzales, im letzten Bay Film 6 Underground noch wenig mehr als schmückendes Beiwerk, darf hier zeigen, dass sie mehr kann als gut aussehen.
Lediglich das Finale passt nicht zum Rest des Films. Denn der clevere Danny, der sich einen genialen Plan ausgedacht hat, wie er seinen und den Kopf seines Bruders noch aus der Schlinge ziehen kann, sieht plötzlich die Hand vor Augen nicht mehr und bemerkt nicht, dass er eigentlich schon am Ziel ist. Das macht das Ende des Films etwas schlechter als nötig. Wer im Kino gern perfekt gemachte Action sieht und von recht ordentlicher Handlung dabei nicht gestört wird, sollte sich Ambulance in jedem Fall ansehen. Es scheint, dass Michael Bay zu alter Stärke zurückfindet und wieder Action-Kracher dreht, die auch eine nachvollziehbare Geschichte erzählen.
Fazit:
Actionfans machen mit Ambulance nichts falsch. Nach Jahren der Verirrung im Transformers-Dschungel findet Regisseur Michael Bay wieder Gefallen an handgemachter Action, in der sich sogar interessante Figuren und eine packende, wenn auch nicht immer logische Story verbirgt. Und mit seinem Hauptdarsteller-Trio voll ins Schwarze trifft. Vor allem Fans von Jake Gyllenhaal dürften mit der Schurkenrolle ihres Lieblings eine neue Seite entdecken. Zwar nutzt Bay die offenbar für ihn neue Technik einer Drohnenkamera ein wenig zu viel, aber insgesamt liefert der Explosions-König von Hollywood hier wieder richtig gute, wenn auch etwas zu lange, Unterhaltung ab.
Ambulance startet am 24. März 2022 in den deutschen Kinos.