Das neue „Game of Thrones“! Nach dem Mega-Erfolg der Serie von HBO bekam so gut wie jede folgende Serie, die auch nur ein wenig mit Fantasy zu tun hatte, diesen Stempel aufgedrückt, gern mit einem Fragezeichen im Titel, Hauptsache GoT fand Erwähnung. Meist hatte das mit Fakten wenig zu tun, wie beispielsweise „The Witcher“ eindrücklich bewies, dessen Ähnlichkeit mit George R.R.Martins Idee nun wirklich marginal ist. Hat ausgerechnet Netflix‘ neue Serie „Cursed – Die Auserwählte“ jetzt dieses Prädikat verdient? Das verrät die Kritik.
Die Artussage gehört zu den ältesten Geschichten, die heute noch bekannt sind. Ihr Ursprung reicht vermutlich ins fünfte Jahrhundert n. Chr. zurück, die Vorlage des mythischen Königs war möglicherweise ein römischer Feldherr, der in Britannien erfolgreich zu Zeiten der großen Völkerwanderung mehrere eindringende Stämme besiegt hat. Genau lässt sich das heute nicht mehr sagen. Sicher ist, dass mehr als 500 Jahre später die ersten Geschichten um Artus aufgeschrieben wurden. Und diese im Mittelalter zum Kulturgut des Ritterstandes gehörten.
2018 tat sich Autor Tom Wheeler mit Comic-Legende Frank Miller („Sin City“) zusammen, um diese 1500 Jahre alte Story neu zu erzählen – aus der Sicht einer jungen Frau. Schon bevor der Roman, den Wheeler schrieb und Miller illustrierte, in den Handel kam, sicherte sich Netflix die Rechte für eine Serie. Die war bereits abgedreht, als der Roman im Herbst 2019 in den USA erschien. Und nun startet Cursed – Die Auserwählte mit zehn Folgen der ersten Staffel. Wie gut ist diese Umsetzung geworden?
Die wichtigsten Charaktere der Serie in der Gallerie:
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Cursed: Die Handlung
Vor vielen Jahrhunderten in England: Nimue (Katherine Langford) ist eine junge Frau, die zu einem der Stämme der magischen Völker gehört, welche von den Menschen „Fey“ genannt werden. Seit sie als Kind von einem Dämonen angegriffen wurde und schwer verletzt überlebte, gilt sie selbst bei ihren Leuten als verflucht. Dennoch wird Nimue von den Göttern der Fey, den Hidden, als Trägerin ihrer Macht auserwählt. Viel Zeit, sich darüber aufzuregen haben die Fey aber nicht, denn ihr Dorf wird von den Roten Paladinen der katholischen Kirche unter Führung von Pater Carden (Peter Mullen) angegriffen und fast komplett ausgelöscht.
Nimue findet ihre sterbende Mutter, die ihr den größten Schatz des Dorfes anvertraut – das Schwert der ersten Könige! Sie soll die mächtige Klinge dem Magier Merlin (Gustav Skarsgard) bringen. Obwohl Nimue das Schwert unheimlich ist, will sie den letzten Wunsch ihrer Mutter erfüllen und macht sich auf den Weg. Dabei lernt sie nicht nur den Söldner und Vagabunden Arthur (Devon Terrell) kennen, sondern hört auch vom grausamen „Weinenden Mönch“ (Daniel Sharman), der für die Roten Paladine ganze Dörfer der Fey niedergemäht hat. Und nicht nur der ist ihr auf den Fersen …
Cursed: Mäßiger Start, aber dann …
In den US-Buchhandlungen wird Cursed als Young Adult-Novel geführt, gehört für die Händler also in den Bereich der „Tribute von Panem“ oder „Twilight“. Und zu Beginn der Serie gibt es auch wenig Grund, an dieser Einschätzung zu zweifeln. Eine leicht zickige Hauptfigur mit Mädchenträumen, die ihrer scheinbar so langweiligen Dorfidylle entkommen will. Zwar fällt auch hier schon auf, dass die Bilder ein wenig blutiger und grausamer sind als bei anderen Serien, aber noch weist nichts darauf hin, dass Cursed mehr ist als eine weitere Fantasy-Teenie-Serie bei Netflix.
Das liegt auch daran, dass Katherine Langfords Charakter zu Beginn nicht sonderlich spannend ist und andere Figuren kaum auftauchen. Doch spätestens, wenn Gustav Skarsgard als Merlin erscheint und jede Szene mit seiner Präsenz an sich reißt, wenn er mit Tod und Teufel um Macht und Gefallen feilscht, wird aus Cursed eine Fantasy-Saga, wie sie so noch nicht oft zu sehen war. Und Peter Mullen, sonst eher Charakterkopf in Sozialdramen von Ken Loach, spielt den Schurken derart fies, dass hier die Erinnerungen an einen Ramsay Bolton schnell wach werden.
Rasant erzählte Reise in die Dunkelheit
Dazu legt Cursed ein Tempo an den Tag, das man anderen Serien wünschen würde. Ohne langes Zögern werfen Wheeler, der die Hälfte aller Drehbücher schrieb, und sein Autorenteam neue Charaktere in die Story, dass es eine Freude ist. Keine lange Einführung, keine langes Gerede. Mit wenigen Dialogsätzen ist eine Figur umrissen und funktioniert glänzend im stetig wachsenden Gefüge der Story. Ob die tödliche „Witwe“ oder der listig-fiese Gesandte des Papstes, ob magische Wesen der Fay oder Arthurs Schwester Igraine – der Cast spielt glänzend.
In der zweiten Hälfte, wenn der Überlebenskampf der Fey zum Politikum zwischen mehreren starken Machtblöcken wird, ist die Ähnlichkeit zu GoT nicht mehr wegzudiskutieren. Der verschlagene Uther Pendragon und seine grausame Mutter kochen ebenso ihr eigenes Süppchen wie der nordische Eiskönig Culver und seine blutgierigen Töchter. Und die Roten Paladine bleiben ebenso im Spiel, wenn es um das Töten der Fey geht. Zwischen diesen mächtigen Kräften droht Nimue unterzugehen und sie ist zu großen Opfern bereit, um ihr Volk vor der Auslöschung zu bewahren.
Cursed: Statt nackter Haut abgetrennte Köpfe
Ebenso wie Langford sich in ihrer Rolle vom unwissenden Mädchen zur verantwortungsvollen Anführerin mausert, entwickelt sich Cursed zunehmend von einer locker-leichten Teenie-Serie wie „Sabrina“ zu einem immer düster werdenden Drama mit blutigen Kämpfen und grausamen Momenten. Lediglich bei Sexszenen gibt es keine Ähnlichkeeit zu GoT, denn Cursed hält sich hier extrem zurück und zeigt die wenigen intimen Momente sehr züchtig. In Sachen Gewalt kann die Serie dem großen Vorgänger jedoch durchaus das Wasser reichen – wie auch in Sachen Gemeinheit.
Was die Serie an Verrat, Mord und irren Killern aufbieten kann, steht so garantiert in keiner Sagensammlung. Cursed, das aufgrund der blutigen Bilder noch am meisten Ähnlichkeiten mit John Boormans Artus-Version „Excalibur“ von 1981 aufweist, geht hier neue Wege und setzt bekannte Figuren der Saga in ein völlig neues Licht. Hier liefert Tom Wheeler großartige Arbeit ab und erweitert die Story um viele interessante Aspekte. Natürlich darf man hier die Frage stellen, wer sich hier von wem hat inspirieren lassen. Fakt ist, dass alle großen Fantasywerke sich bei Artus bedient haben.
Was zu GoT noch fehlt
Dass der Vergleich mit GoT dennoch ein wenig hinkt, hat mehrere Gründe. So sieht Cursed zwar gut aus und ist liebevoll und detailliert ausgestattet, mit dem Mega-Budget von GoT kann die Serie aber nicht mithalten – und das sieht man. So kämpfen hier eben nicht 2000, sondern nur 200 Statisten gegeneinander. Das macht das Sterben nicht schöner, die Wucht eines „Battle of the Bastards“ erreicht Cursed so aber nie. Und auch die Tiefe und die Anzahl der Charaktere kann die Serie nicht in zehn Folgen erschaffen. Dafür brauchte auch GoT mehrere Staffeln.
Dafür erzählt Wheelers Serie mehr Story in zehn Folgen als GoT in drei Staffeln und bringt viele der angerissenen Storylines bereits in der ersten Staffel zu einem befriedigenden Ende. Und wer sich in der Artussaga ein wenig auskennt, darf noch zusätzlich mitraten, hinter welcher scheinbar neuen Figur sich in Wirklichkeit ein bekannter Charakter der Sage verbirgt. Einige davon lüften ihr Geheimnis erst in der letzten Folge. Die hoffentlich nicht die letzte Folge bleiben wird. Denn Cursed hat das Zeug zum echten Hit für Netflix – und muss einfach verlängert werden.
Fazit:
In den ersten Minuten von Cursed ahnt der Zuschauer noch nicht, dass er mit dieser Serie tatsächlich eine düstere Fantasy-Saga bekommt, die dem Überflieger Game of Thrones in vielen Aspekten erstaunlich nahe kommt. Immer gut, zum Teil herausragend gespielte Charaktere, ein sehr viel höheres Tempo als in GoT und eine Story, die viel düsterer, blutiger und grausamer wird, als man das im Vorfeld hätte ahnen können. Ein starker Auftakt zu hoffentlich weiteren Staffeln und definitiv eine der besten Netflix-Eigenproduktionen seit längerer Zeit. Unbedingt ansehen!
Cursed – Die Auserwählte startet am 17. Juli 2020 bei Netflix.
Gesehen: Zehn von zehn Folgen.