Nachdem Netflix in den vergangenen Monaten und Jahren oft und gern brauchbare bis mäßige Teenie-Komödien um die erste Liebe ins Programm genommen hat, zeigt der Streamingdienst mit „All die verdammt perfekten Tage“, dass er auch anders kann. Denn die Liebesgeschichte zwischen Violet und Theo beginnt mit einem Selbstmordversuch. Nach dem Roman von Jennifer Niven, die auch am Drehbuch mitarbeitete, entstand so ein Film über Teenager, die nicht nur mit der Liebe ihre Probleme haben. Wie ist die Umsetzung geworden?
Konfliktscheu scheint Netflix nicht zu sein. Denn obwohl dem Streamingdienst nach der Serie „Tote Mädchen lügen nicht“ mächtig Gegenwind wegen des Themas Selbstmord bei Jugendlichen bekommen hat, setzte Netflix die Serie fort. Und nimmt sich nun mit All die verdammt perfekten Tage einer weiteren Geschichte an, die sich unmittelbar mit psychischen Problemen und Selbstmord beschäftigt. Hat Netflix auch mit diesem Film wieder Schwierigkeiten zu erwarten? Wie geht All die verdammt perfekten Tage mit dem Thema um?
All die verdammt perfekten Tage: Die Handlung
Während Theo Finch (Justice Smith, „Detektiv Pikachu“) läuft, sieht er auf dem Geländer einer Brücke Mitschülerin Violet (Elle Fanníng) stehen, die offenbar überlegt zu springen. Ohne zu zögern, stellt er sich neben sie und holt sie schließlich herunter. Weil er immer wieder versucht, ihr näherzukommen, erfährt er bald ihr Geheimnis. Vor einem Jahr saß sie mit ihrer älteren Schwester im Auto. Und es gab bei dieser Brücke einen Unfall, bei dem ihre Schwester starb. Seitdem lebt Violet in einem Schneckenhaus, geht nicht aus und vermeidet Kontakt, wo sie nur kann.
Doch Theo möchte helfen und kann sie schließlich zu einem Gemeinschaftsprojekt für die Schule überreden. Gemeinsam fahren sie zu Sehenswürdigkeiten des Bundesstaates Indiana, um später einen Aufsatz darüber zu schreiben. Und Theo gelingt es, Violet wieder zum Lachen zu bringen, ihr neuen Lebensmut zu geben. Die beiden verlieben sich ineinander. Violet geht es immer besser. Doch sie übersieht, dass auch Theo Narben auf seiner Seele trägt, die sehr viel tiefer gehen als ihre eigenen. Und so fangen bald neue Probleme an …
All die verdammt perfekten Tage: Viele passende Zutaten
Eine Teenagerliebe, die stets am Rand des Dramas entlangläuft, was kann da alles schiefgehen? Die Balance zwischen schönen und traurigen Momenten zu halten und die Sache nicht in hemmungslosen Kitsch abgleiten zu lassen, das erfordert eine Menge Fingerspitzengefühl und ein gutes Script. Beides hat Regisseur Brett Haley gehabt, als er sich an die Umsetzung des Romans machte. Dazu braucht es aber natürlich auch noch gute Schauspieler, die sowohl witzige als auch tragische Momente glaubhaft spielen können. Und auch da hatte Haley Glück.
Denn Elle Fanning, schon seit Jahren eine sichere Bank bei ihren Rollen, meistert auch die schüchterne und tief verletzte Violet ohne Probleme. Erstaunlicher ist da schon, dass auch Justice Smith, bislang eher in ausschließlich unterhaltsamen Rollen zu sehen, seinen Part ebenso gut stemmt. Als Theo, der Violet so gerne helfen möchte, obwohl er eigentlich selbst genug Probleme hat, gewinnt Smith schnell die Herzen der Zuschauer. Seine phantasievollen Versuche, Violet aus ihrer Isolation zu holen, sind allerdings auch stark geschrieben.
All die verdammt perfekten Tage: Sensibel und gut erzählt
Haley überzeugt mit seiner Geschichte auch erzählerisch so gut, weil er konsequent die Probleme der einen Figur aus der Sicht der anderen erzählt. In Hälfte eins, in der sich Theo um Violet kümmert, erlebt das Publikum fast alles aus seiner Sicht. Wenn es später um Theos Schwierigkeiten geht, wechselt die Perspektive zu Violet. Zwar gibt es immer wieder einzelne Szenen, in der eine Figur auch mal alleine ist, aber die meiste Zeit hält Haley dieses Stilmittel gut durch. So bleiben die Figuren geheimnisvoller – und emotional wesentlich ansprechender.
Dabei hält Haley jederzeit einen gesunden Abstand zu jedweder Glorifizierung eines Selbstmordes. Und zeigt stattdessen auch immer wieder mögliche Auswege aus der Situation. Dennoch verharmlost All die verdammt perfekten Tage das Thema in keiner Sekunde. Bei diesem Film dürfte daher der Medien-Aufschrei im Vergleich zu Tote Mädchen lügen nicht auch wesentlich geringer ausfallen. Die FSK griff trotzdem durch und verpasste dem Film, der keinerlei gewalttätigen oder gruseligen Szenen enthält, eine Freigabe ab 16 Jahren, was wohl allein der Thematik geschuldet sein dürfte.
Es gibt zwar ein paar Änderungen in der Story vergleichen zum Roman, aber da Autorin Niven auch am Script schrieb, darf man die wohl als von höchster Stelle abgesegnet ansehen. Regisseur Haley gelingt es dadurch aber, die tragischen Momente der Story weitgehend ansatzlos auf das Publikum einstürzen zu lassen und so maximale Wirkung zu erzielen. Denn das Violet und Theo ein simples Happy-End bekommen, daran dürfte der Zuschauer ohnehin bald nicht mehr glauben. Stattdessen zeigt sich die harte Realität, was den Film nur besser macht.
Fazit:
Ausnahmen bestätigen die Regel! Nachdem die meisten Eigenproduktionen im Bereich Spielfilm bei Netflix nicht über das Prädikat „geht so“ hinauskommen, präsentiert der Streamingdienst mit All die verdammt perfekten Tage wieder ein Werk, das deutlich über diesem Standard liegt. Zwei gute Schauspieler, eine emotional reichhaltige, aber nie kitschige Story und eine interessante Art, sie zu erzählen, machen den Film zu einem der besten Netflix-Produktionen der vergangenen Monate. Eine Love-Story mitten aus dem Leben, bei der der Tod nie ganz verschwindet.
All die verdammt perfekten Tage startet am 28. Februar 2020 bei Netflix.
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