Seit „Call Me By Your Name“ ist Jungstar Timothée Chalamet in aller Munde. Im kommenden Jahr spielt er die ikonische Rolle von Paul Atreides im „Dune“-Zweiteiler von Denis Villeneuve. Vorher ist er noch in Greta Gerwigs „Little Women“ zu sehen. Aktuellste Rolle des jungen Amerikaners ist jedoch die eines berühmten Briten. Als Heinrich V. verkörpert er die Hauptfigur des Königsdramas „The King“ auf Netflix – nach Motiven von William Shakespeare. Wie gut ist das?
Shakespeare schrieb viele Königsdramen, von denen einige in zwei Tetralogien zusammengefasst werden – und ausschließlich von Königen berichten, die entweder Richard oder Heinrich hießen. Die erste Tetralogie – von Richard II. bis Heinrich V. – bieten den historischen Hintergrund für The King. Der Film des australischen Filmemachers David Michôd legt allerdings den Schwerpunkt auf den letzten Teil. Und stellt Heinrich – oder auch Henry – den Fünften ins Zentrum der Erzählung. Das hat im Jahr 1989 bereits Kenneth Branagh mit seinem „Henry V.“ großartig getan. Kann The King da mithalten?
The King: Die Handlung
England im Jahr 1413. Der extrem unbeliebte König Heinrich IV. (Ben Mendelsohn) führt Kriege im eigenen Land gegen angebliche Verräter. Sein ältester Sohn Heinrich, genannt Hal (Timothée Chalamet), hat sich längst von Vater und Thronfolge abgewandt und vergnügt sich lieber mit seinem Freund auf Saufkumpan John Falstaff (Joel Edgerton) in den Wirtshäusern der Stadt. Intrigen und Paranoia des Vaters trieben ihn schon vor langer Zeit vom Königshof fort. Als sein Vater ihn einbestellt, um ihm mitzuteilen, dass sein jüngrer Bruder Thomas (Dean-Charles Chapman, „Game of Thrones“) König werden soll, ist Heinrich wenig überrascht – und einverstanden.
Doch als Thomas für den Vater in den Krieg ziehen soll, wird Hal aktiv und versucht, den kleinen Bruder zu retten – und wen es ihn das eigene Leben kostet. Doch das Schicksal will es anders und Hal landet als Heinrich der Fünfte auf dem Thron von England. Beraten wird er vom verschlagenen William Gascoigne (Sean Harris), der den jungen König vor vielen Gefahren warnt. Als Nachbarland Frankreich, auf dessen Thron Heinrich einen legitimen Anspruch hat, zum Krieg rüstet, muss Heinrich reagieren …
The King: Shakespeare light
Zuschauer, die sich vor der Sprache des unsterblichen Barden fürchten, können beruhigt sein. Michôd nutzt in seinem Film die Texte Shakespeares nicht, sondern lässt seine Figuren ganz normal sprechen. So wie das Drehbuch, das Michôd gemeinsam mit Darsteller Joel Edgerton schrieb, auch in anderen Bereichen eher modern anmutet. Aus dem Drama für die Bühne wird hier eine Abenteuergeschichte um das Erwachsenwerden eines Königs, der diese Bürde nie wollte. Diese Entwicklung stellt Michôd ins Zentrum seines Films.
Und Timothée Chalamet zeigt sich der Herausforderung gewachsen. In den 140 Minuten des Films spielt er überzeugend die Wandlung des Charakters von Hal zu Heinrich V. mit einer Attitüde, die eher den aktuellen Fans des Schauspielers gefallen wird als Shakespeare-Puristen. Nach dem Drehbuch idealisiert der Film den jungen König als ruhigen, aber selbstsicheren Mann mit einem untrüglichen Instinkt für Gerechtigkeit, den er als moralischen Kompass für sein gesamtes Handeln einsetzt – und der ihm eher ein James Dean-Image verleiht als ein historisch korrektes Bild zu zeichnen.
The King: Bester Mann
Noch mehr als Chalamet als moderne Version des Königs überzeugt allerdings Joel Edgerton in der Rolle des John Falstaff, die er sich selbst auf den Leib schrieb. Der Australier, der schon in vielen sehr unterschiedlichen Rollen überzeugte (unter anderem als Regisseur, Autor und Darsteller in „Der verlorene Sohn“), spielt Falstaff zwar auch als tragische Figur, allerdings mit völlig anderem Hintergrund. Während der ehemalige Kriegsheld bei Shakespeare von Heinrich verstoßen wird, um sich von seiner Vergangenheit zu distanzieren, spielt er hier eine wichtige Rolle als Freund und Berater.
Und bringt Heinrich auch ohne viele Worte mehr bei, als alle anderen Berater des Königs zusammen. Dabei legt er den Charakter als sehenswerte Mischung aus desillusioniertem Säufer und wahrem Freund an. Und ist so der heimliche Held des Films. Der kurze Auftritt von Robert Pattinson als französischer Kronprinz gerät hingegen fast zur Farce. Der eigentlich starke Schauspieler agiert hier so hemmungslos albern, dass seine Rolle der Schwachpunkt des Films ist. Die einzige nennenswerte Frauenrolle – Rose Lily Depp als Prinzessin – ist ebenfalls nur Staffage.
Stattdessen bietet The King neben dem grüblerischen Rebellen auf dem Thron vor allem sehenswerte Kampf- und Schlachtsequenzen und geht daher trotz Mädchenschwarms Chalamet als echter Männerfilm, an den Start. Im Gegensatz zum grandiosen Film von Kenneth Branagh bleibt The King aber dazwischen ein wenig blass. Während Branagh in der Titelrolle mit glühender Inbrunst Shakespeares Worte herausschmetterte, wirkt die neue Version ein wenig zu unterkühlt, um durchgehend mitzureißen.
Fazit:
The King ist zwar eine zeitgemäße Umsetzung von Shakespeares Königsdramen (hauptsächlich Heinrich V. mit ein wenig Heinrich IV.), aber mit dem großartigen Henry V. von Kenneth Branagh kann er nicht ganz mithalten. Trotz guter Schauspieler-Leistungen, allen voran Joel Edgerton, leidet die Netflix-Adaption unter der Länge des Films und der über den Film gelegten Coolness, die dem eigentlich hoch emotionalen Stoff nicht gut tut. Fans von Timothée Chalamet schalten aber ebenso ein wie Freunde von Historiendramen. Denn The King ist trotz mancher Kritik ein ansehnlicher Film geworden.
The King startet am 1. November 2019 bei Netflix.
Weitere Kritiken zu Netflix-Filmen finden Sie hier.