Gute Science-Fiction-Filme beschäftigen sich in aller Regel immer auch mit philosophischen Fragen, egal, welche Handlung sie dabei erzählen. Oft geht es um Ethik und die Grenzen des Machbaren und Erlaubten. In diese Reihe passt auch „Titan“, das Langfilmdebüt des deutschen Studenten-Oscar-Gewinners Lennart Ruff. Kann seine Story, die sich bei einigen Klassikern bedient, ebenfalls überzeugen?
Die Reise der Menschheit zu den Sternen beschäftigt die Science-Fiction-Literatur – und damit letztlich auch die Filmwelt – schon seit den Anfängen. Schon bevor die Gattung Science-Fiction hieß, machte sich Jules Verne über eine Reise zum Mond Gedanken. Später stellte H.G. Wells in seinem „War of the Worlds“ fest, dass eine Begegnung mit einer anderen Welt nicht ganz ungefährlich sein könnte. Wirft auch Titan einige neue und interessante Fragen auf?
Titan: Die Handlung
Die Erde des Jahres 2048 steht kurz vor dem Kollaps. Bald werden mehr als 50 Prozent der Oberfläche unbewohnbar sein, die Menschheit droht auszusterben. In dieser prekären Situation bringt die UN vielversprechende Kandidaten für ein neues Weltraum-Projekt zusammen, darunter auch den ehemaligen Kampfpiloten Rick Janssen (Sam Worthington), der sich nach einem Absturz in der Wüste Syriens als besonders zäh erwiesen hat. Mit einigen anderen Kandidaten soll er genetisch so modifiziert werden, dass er auf dem Saturnmond Titan überleben kann.
Seine Frau Abigail (Taylor Schilling), selbst Ärztin, beobachtet die Experimente an ihrem Mann und den anderen Astronauten in spé erst zuversichtlich, bald aber mit ersten Zweifeln. Zwar sind die Ergebnisse der Tests bahnbrechend – so kann Rick mehr als 40 Minuten unter Wasser bleiben, – aber es gehen auch optische Veränderungen mit diesen Leistungen einher. Bald erkennt Abigail ihren Mann kaum wieder. Ist der Preis für die mögliche Rettung der Menschheit zu hoch?
Titan: Body-Horror light
Wie weit kann und darf man den Menschen verändern, um ihn an neue Situation und Anforderungen anzupassen? Das ist die Kernfrage, mit der sich Ruff in seinem ersten langen Spielfilm beschäftigt. Und das hätte ein gruseliger, romantischer oder philosophischer Film werden können, wenn Ruff und sein Drehbuch-Autor Max Hurwitz sich für eines davon entschieden hätten. Stattdessen beschäftigen sie sich in 97 Minuten mit allen drei Variationen – und erzählen keine davon richtig. Was schon deshalb schade ist, weil die Ausgangslage im Film durchaus realistisch und glaubwürdig ausfällt.
In seinen wenigen unheimlichen Momenten erinnert Titan ein wenig an David Cronenbergs Ekel-Meisterwerk „Die Fliege“. Mit dem Unterschied, dass es dort ein Unfall war, der die Verwandlung einläutet, während es hier ein absichtlich durchgeführtes Experiment ist. Bevor der Film damit aber richtig Spannung aufbauen kann, ist das Thema, wann ein Mensch noch ein Mensch ist – und wann er sich in etwas Anderes verwandelt, auch schon wieder vom Tisch. Mehr als Horror light wird es nie.
Titan: Böse Dinge mit guten Absichten
Auch die philosophische Frage, was man im Namen der Wissenschaft an üblen Dingen tun darf, um einem größeren Guten zu dienen, streift der Film lediglich. Und es wird mit dem allzu platt geschriebenen Professor auch nie glaubhaft in Szene gesetzt. Mögliche innere Konflikte über das Richtig oder Falsch gibt es nicht, weder bei den Testobjekten, noch bei denen, die die Experimente zu verantworten haben. Auch dieses Thema hätte ein Vielzahl an Möglichkeiten geboten, Spannung aufzubauen und eine moderne Frankenstein-Variante zu werden, die allesamt ungenutzt verstreichen.
Und die Liebesgeschichte zwischen Rick und seiner Frau Abigail, die letzte Variante, um aus Titan mehr zu machen als einen beliebigen, oberflächlichen Sci-Fi-Reißer, scheitert zum großen Teil am weitgehend emotionslos agierenden Sam Worthington, dem man eine persönliche Anteilnahme oder Betroffenheit über seine eigene Situation nie abnimmt. Am glaubwürdigsten ist er dann, wenn sich der Zuschauer aufgrund seiner komplett fehlenden Mimik fragen muss, ob Rick noch ein Mensch ist. Worthington mag ein Star gewesen sein, ein herausragender Schauspieler war er nie. Und so kommen beim Zusehen auch keine romantischen Gefühle ob der möglicherweise tragisch endenden Liebesgeschichte auf.
Letztlich muss sich Ruff dafür ebenso die Schuld geben wie Autor Hurwitz. Denn dem Regisseur gelingt es viel zu selten, einen dramatischen Höhepunkt auch einmal als solchen zu inszenieren, das kühle Blau, das den Film optisch fest im Griff hat, scheint sich auch auf Ruff ausgewirkt zu haben. Denn Titan fehlt schlicht ein wenig Emotion und Leidenschaft beim Erzählen der Story. Dazu kommt der unausgewogene Schlingerkurs zwischen unterschiedlichen Ansätzen, die wohl auch bei erfahreneren Regisseuren und Autoren nicht perfekt harmoniert hätten, hier aber gar nicht zusammen kommen wollen. Was bleibt, sind edle Bilder, ein paar gute Schauspieler und viele verpasste Chancen, einen deutlich interessanteren Film zu drehen.
Fazit:
Titan will einfach zu viel sein, um auch nur eines davon werden zu können. Für einen Sci-Fi-Horror nicht gruselig genug, für einen philosophischen Ansatz zu flach vorgetragen und für ein romantisches Drama schlicht zu emotionslos. So bleibt Titan wie sein Protagonist ein Hybrid, der nicht weiß, wohin er gehört. Daher überzeugt Lennart Ruffs Langfilm-Debüt nur optisch mit edlen, vornehmlich blauen Bildern und verschenkt einen durchaus interessanten Ansatz. Kein schlechter Film, aber ein schlechterer als nötig.
Titan erscheint am 9. Mai 2018 auf DVD und Blu-Ray in Deutschland.