Werewolf By Night

Filmkritik: Werewolf By Night

Wie würde es wohl aussehen, Disney würde mit seinem Marvel-Label einen Horrorfilm drehen? Einen Vorgeschmack darauf werden die Abonnenten von Disney+ jetzt bekommen. Denn mit „Werewolf By Night“ holt Disney einen der drei Charaktere zurück, die als Comicfiguren in den 70er Jahren der Marvel-Comics Horror-Themen etablieren sollten – und zwar die goldene Mitte. Während „Das Monster von Frankenstein“ nur auf 18 Hefte kam, bevor die Serie eingestellt wurde, gelangen dem Werewolf By Night immerhin 43 Ausgaben. Nur „The Tomb of Dracula“ mit 70 Heften war noch etwas erfolgreicher. Nun hält die Figur mit einem 45-minüten Special Einzug ins MCU. Wie gut das geworden ist, verrät die Kritik.

Werewolf by night
Ziemlich tot und doch dabei: Ulysses Bloodstone.

Die Handlung

Es gibt Menschen, die schon lange von der Existenz von Monstern wissen und die dunklen Kreaturen jagen. Einige davon haben vor Jahrhunderten schon einen Bund gegründet, dessen Anführer stets mit der Macht des Blutsteins ausgerüstet war. Nun hat der aktuelle Führer dieses Bundes, ein Mann namens Ulysses Bloodstone, das Zeitliche gesegnet und ein neues Oberhaupt des exklusiven Ordens muss gefunden werden. Deshalb hat Ulysses‘ Witwe Verusa (Harriet Sansom Harris) die größten und erfolgreichsten Monsterjäger der Welt zu einem geheimen Treffen eingeladen. Dort soll sich entscheiden, welcher der furchtlosen Kämpfer zum neuen Träger des Blutsteins wird und die Welt vor den Kreaturen aus den Schatten beschützen wird.

Eine Kandidatin ist Verusa allerdings ein Dorn im Auge. Nach Jahrzehnten ohne Kontakt ist Ulysses‘ Tochter Elsa Bloodstone (Laura Donnelly, „The Nevers„) aufgetaucht und erhebt Anspruch auf den Stein. Und auch der merkwürdig nervös wirkende Jack Russell (Gael Garcia Bernal) scheint nicht ganz der Typ zu sein, der den Orden der Monsterjäger in den kommenden Jahren anführen könnte. Doch ausgerechnet Russell hat Losglück und darf als erster in das Labyrinth, in dem ein tödliches Monster herumstreicht, das besiegt werden muss. Kann er seine Chance nutzen? Oder fällt er den anderen Jägern zum Opfer, die es ebenfalls auf die Macht des Blutsteins abgesehen haben?

Hommage an die Anfänge des Horrors

Mit rund 45 Minuten ist das Special zwar ein wenig länger als eine typische Marvel-Serienfolge bei Disney+, aber dennoch nicht einmal in der Nähe eines Spielfilms. Und daher fühlt sich Werewolf By Night auch nicht wie einer an. Das merkwürdige Format, das Marvel später im Jahr wiederholen wird (ein Guardians-Weihnachts-Special mit direktem Bezug auf den dritten Kinofilm), passt aber richtig gut zu der auch recht kurzen Story. Und die scheint auf den ersten Blick so gar nicht ins MCU zu gehören. Denn der bekannte Filmkomponist Michael Giacchino (Oscar für „Up“) hat hier nicht nur die Musik beigetragen, sondern auch erstmals Regie geführt. Und das tut er als Hommage an die Schwarz-Weiß-Horrorfilme der Universal Studios in den 30er Jahren.

Wie einst bei „Frankenstein“ oder „The Wolfman“ huschen hier die Protagonisten durch nebelverhangene Sets, werfen auch harmlose Dinge gefährliche Schatten und fängt die Kamera schreckensverzerrte Gesichter so groß wie möglich ein, bis nur noch die Augen im Bild bleiben – weit aufgerissen und voller Angst. Giacchino beweist in seinem Debüt eine erstaunliche Meisterschaft für diese Art Filme und legt ein paar für Marvel-Verhältnisse recht drastische Effekte oben drauf. Wichtig ist aber immer die Relation: für eine Marvelproduktion! Als traditioneller Horrorfilm bleibt Werewolf By Night weitgehend harmlos, auch wenn das Special eine Freigabe ab 16 Jahren bekam.

Werewolf by Night
Die Augen eines Monsters: Gleich wird sich Jack in etwas anderes verwandeln.

Starkes Casting

Auch die Besetzung ist gelungen. Gael Garcia Bernal spielt die Titelfigur mit einer schönen, aber nicht zu übertriebenen komödiantischen Note, wie auch das ganze Special immer wieder von Humor durchzogen ist, ohne zur reinen Komödie zu werden. Und Laura Donnelly wiederholt ihre Rolle aus The Nevers als coole und knallharte Kämpferin, die erst im Angesicht des Monsters erstmals Angst zeigt. Auch die verschiedenen Jäger glänzen mit einigen schrägen und witzigen Momenten. Und Harriet Sansom Harris zeigt dem Publikum, wie lustig Overacting sein kann, wenn man es richtig macht. Dass dann noch ein echtes Marvel-Monster auftaucht, das hier aber nicht genannt werden soll, rundet das Special ähnlich gut ab wie viele handgemachte Effekte.

Spannend dürfte allerdings die Tatsache werden, dass Marvel-Mastermind Kevin Feige das Special als wichtigen Baustein für die Zukunft des MCU bezeichnet, denn die Bezüge darauf sind hier doch sehr dünn. Offenbar planen die kreativen Köpfe nicht nur Blade als horroraffinen Helden, sondern weitere Ausflüge in den dunkelsten Bereich der Marvel-Comics. In Anbetracht der langsam ausgelutschten klassischen Superhelden-Filme- und Serien ist das sicher nicht die schlechteste Idee. Ob das dann auch eine Freigabe ab 16 Jahren bedeuten wird, bleibt abzuwarten. Für Horrorfans, die es gern etwas blutiger mögen, wäre das wohl eine gute Nachricht und Werewolf By Night deutet bereits an, dass es für Disney kein Tabu mehr ist.

Werewolf by night
Den Verlauf des Abends hatte sich Verusa ganz anders vorgestellt.

Fazit:

Werewolf By Night ist eine ebenso humorige wie spannende Hommage an die frühen Jahre des Gruselkinos mit den klassischen Universal-Monster-Filmen. Mit coolen Schwarz-Weiß-Look, schrägen Figuren und einer kurzen, aber überzeugenden Story gelingt es Regisseur Michael Giacchino in seinem Debüt, eine angenehm düstere Stimmung zu erzeugen und echte Horrorfans aufgrund der ganzen Nostalgie regelmäßig ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Dass dieses Special allerdings eine größere Rolle für die Zukunft des MCu darstellen soll, ist aber bei aller Qualität noch schwer vorstellbar. Hier müssen sich Fans der Marvelfilme wohl einfach überraschen lassen. Sollte Marvel tatsächlich mehr in Richtung Horror planen, ist Werewolf By Night jedenfalls ein schöner Anfang.

Werewolf By Night startet am 7. Oktober 2022 bei Disney+.