Der schottische Comic-Autor Mark Millar gehört seit mehr als 30 Jahren zu den ganz Großen seiner Zunft. So schrieb er für DC den berühmten Elseworld-Band „Superman: Red Son“, in der Superman als Baby in der Sowjetunion landet statt in Kansas. Für Marvel kreierte er unter anderem die preisgekrönte neue Version der Avengers – die „Ultimates“. Aber seit mehr als 15 Jahren schreibt Millar auch für sein eigenes Label, das er durchaus selbstbewusst Millarworld nannte. Aus „Wanted“, „Kingsman“ und „Kick-Ass“ entstanden bereits Filme. Vor ein paar Jahren kaufte Netflix die kompletten Rechte an den Millarworld-Titeln. Deren erste Umsetzung, „Jupiters Legacy“, startet nun als Serie – wie gut ist sie?
Update: Netflix hat die Serie nach einer Staffel eingestellt. Wer wissen möchte, wie die Story ausgeht, dem seien die großartigen Comics empfohlen.

Die Handlung
Seit den 30er Jahren beschützt die Union der Superhelden unter ihrem Anführer Sheldon Sampson (Josh Duhamel), genannt Der Utopier, schon Amerika und die Welt. An seiner Seite sind seine Frau Grace (Leslie Bibb) alias Lady Liberty sowie sein Bruder Walter (Ben Daniels), der als Brainwave über große psychische Fähigkeiten verfügt. Sie alle ehren den Codex, den sie einst selbst installierten und der Superhelden das Töten sowie die Einmischung in die Politik verbietet. Doch die zweite Generation der Superhelden ist mit den Zielen ihrer Eltern nicht immer einverstanden. Sampsons Sohn Brandon (Andrew Horton), tut sich als Superheld Paragon schwer, in die große Fußstapfen seines Vaters zu treten.
Und Tochter Chloe (Elena Kampouris) will vom Heldendasein gar nichts wissen und lässt sich als Topmodel von Alkohol und Drogen durch ihr Leben treiben. Auch sie wird vom übermächtigen Schatten ihrer Eltern förmlich erdrückt. Als plötzlich mit Blackstar ein alter Feind der Union wieder auftaucht und in einem blutigen Kampf einige junge Helden tötet, bevor Der Utopier und sein Sohn den Schurken ausschalten können, bringt die Werte der Superhelden zusätzlich ins Wanken. Bald stellt sich heraus, dass der Angriff Blackstars nur ein Trick war, hinter dem ein alter Feind zu stecken scheint. Ist die Union diesem gerissenen Superschurken wirklich gewachsen?
Andere Schwerpunkte als die Vorlage
Wie so oft bei Verfilmungen teilt sich die Zuschauerschaft in zwei Lager: in die, denen die Vorlage komplett unbekannt ist und in Comicleser, die Jupiters Legacy bereits gelesen haben. Letztere dürften mit den acht Folgen der ersten Staffel so ihre Probleme haben. Denn das Erzähltempo ist im Vergleich zum Comic extrem langsam. Während beispielsweise in der Serie erst im Finale enthüllt wird, welcher Schurke hinter allem steckt, klärt die Comics-Version bereits im zweiten von bislang zehn erschienen Bänden diese Frage eindeutig. Die ganze Verschwörung, die Showrunner Steven S. DeKnight in die Story schrieb, findet im Original von Mark Millar so gar nicht statt.
Auch auffällig anders: die Entstehungsgeschichte der Helden. Während das im Comic gerade einmal ein paar Seiten ausmacht, erzählt die Netflix-Serie davon in epischer Länge. Fast die Hälfte der gesamten Zeit nutzt DeKnight, um dem Zuschauer zu erzählen, wie Sheldon Sampson und seine Begleiter zu Helden wurden. Obwohl das in der Comic-Story zu vernachlässigen wäre. Millars zentrales Thema, ob ein Superheld seine Überlegenheit ohne Rücksicht auf Verluste zum Wohle der Menschheit einsetzen darf oder nicht, streift die TV-Serie lediglich. Ebenso wie die Frage, ob die Helden die normalen Menschen nicht zu ihrem Glück zwingen sollten. Einfach, weil sie es können.

Story gut, Action besser
Das heißt aber nicht, dass Jupiters Legacy eine schlechte Serie wäre – ganz im Gegenteil. Denn vor allem bei den Actionsequenzen, wie etwa der Kampf von Blackstar gegen ein Dutzend Helden in Folge eins, bietet großartige Superhelden-Action, die fast Top-Kinoniveau erreicht. Den Einsatz von Superkräften haben die Macher in der gesamten Serie optisch stark umgesetzt und so die Welt von Jupiters Legacy sehr lebendig werden lassen. Und DeKnight setzt in seiner Adaption andere Akzente, stellt den Generationenkonflikt zwischen den alt gewordenen Helden der Goldenen Ära und der nächsten, jungen Garde von Helden in der Vordergrund. Und das gibt ebenfalls ein spannendes Thema ab.
Auch schauspielerisch gibt es wenig zu mäkeln. Josh Duhamel spielt den alten und jungen Sampson stark. Den Heißsporn der 30er, der einer Mission folgt und alle mitreißt, nimmt man Duhamel ebenso ab wie den schuldgebeugten und dennoch kämpferischen Utopier mit weißem Haar und Bart. Leslie Bibb spielt ebenfalls gut, hat aber nur sehr wenig Screentime, um das unter Beweis zu stellen. Die vielleicht spannendste Figur ist aber Ben Daniels als Walter/Brainwave. Den inneren Kampf der Figur, die zwischen stummer Wut auf den Bruder und Gehorsam gegen seinen Anführer schwankt, spielt der 56-jährige Brite großartig.

Ebenfalls sehenswert: Elena Kampdouris und Ian Quinlan, die zu den interessantesten Figuren der Serie gehören. Quinlan spielt den Lebemann und Ganoven Hutch, der als einer der wenigen Kinder von Superhelden selbst keine Kräfte entwickelt hat. Und Kampdouris ist perfekt als Drogenwrack, das aber wenn nötig mächtig hart zuschlagen kann. Leider lässt die Serie viele Fragen unbeantwortet und ist bestenfalls ein Aufgalopp für die grandiosen Twists, die noch folgen, wenn sich die Autoren an die Vorlage halten. Doch schon dieser Start ist für alle Fans von Superhelden-Storys, die über Prügeleien hinausgehen, ein absolutes Muss. Auch wenn die Comics nochmal deutlich besser sind.
Fazit:
Fans der Vorlage dürfte Jupiters Legacy nur bedingt begeistern, zu langsam und zu abgewandelt erzählt Showrunner Steven S. DeKnight hier die grandiose Vorlage von Comic-Superstar Mark Millar nach. Wer die Geschichte noch nicht kennt, wird aber sicher von der stark gemachten Superhelden-Action und den interessanten Figuren angetan sein. Es bleibt zu hoffen, dass die Reise der alten und jungen Superhelden mit Staffel eins noch nicht zu Ende ist. Denn die wirklich spektakulären Momente der Comics sind hier noch gar nicht enthalten. Die ohnehin schon gute Serie dürfte mit weiteren Staffeln noch deutlich zulegen.
Jupiters Legacy startet am 7. Mai 2021 bei Netflix.
