hell or high water
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Filmkritik: Hell or High Water

Harte Männer, die unerwartet viel reden: Im Neo-Western „Hell or High Water“ überfallen zwei Brüder (Chris Pine, Ben Foster) Banken im Nirgendwo von Texas. Der fast schon pensionierte Texas-Ranger Hamilton (Jeff Bridges) heftet sich an ihre Spur. 

Nach seinem dritten Auftritt als neuer Captain James T. Kirk in „Star Trek Beyond“ stand Chris Pine offenbar der Sinn nach einer anderen Art endloser Weite: Fast die Hälfte des Films fährt der Hollywood-Star mit dem Auto durch ein fast menschenleeres Texas der kleinen Leute, für die Armut und Tradition ein und dasselbe sind. Sollte man sich diesen besonderen Road-Trip ansehen?

Hell or High Water: Die Handlung

Das Leben hat es nicht allzu gut gemeint mit den Howard-Brüdern: Der cholerische Tanner (Ben Foster) saß lange im Knast – wegen Bankraubs. Sein jüngerer Bruder Toby (Chris Pine) lebt von Frau und zwei Söhnen getrennt und hat in den vergangenen Monaten seiner Mutter beim Sterben zugesehen, während die Bank langsam aber sicher die verschuldete Farm in die Hände bekam. Mit viel Wut im Bauch und wenig zu verlieren beginnen die beiden, kleine Bankfilialen zu überfallen und ein paar tausend Dollar pro Raubzug zu erbeuten.

Da sich das FBI nicht für so einen Bagatellfall interessiert, landet die Akte auf dem Schreibtisch von Texas-Ranger Marcus Hamilton (Jeff Bridges), der eigentlich schon fast in Rente ist, aber für diesen Fall mit seinem Partner Alberto (Gil Birmingham) nochmals die Ermittlungen beginnt. Während die Howards mit der Beute die Farm für Tobys Söhne retten wollen, zieht sich die Schlinge, die Hamilton auslegt, immer enger. Ein Showdown zwischen den jungen Bankräubern und dem alten Cop scheint unausweichlich… 

Lakonischer Western

Karge Landschaft und die Western-Attitüde des Films mögen darauf hindeuten, aber wer auch wortkarge Figuren erwartet, die stoisch in die Landschaft blicken und damit bereits alles gesagt haben, der wird hier überrascht. Sowohl das Brüderpaar als auch die beiden Ranger führen ausgiebige Unterhaltungen, die nur von kurzen, aber dann meist adrenalinhaltigen Actionsequenzen unterbrochen werden. Tatsächlich verlässt sich der schottische Regisseur David Mackenzie deutlich mehr auf den Text des Autors Taylor Sheridan („Sicario“) als auf vielsagende Bilder. Er inszeniert seine beiden Antihelden als Gegensatz: Auf der einen Seite der cholerische, federführende Tanner, auf der anderen der ruhige und besonnene Toby, dem die Trennung von seinen Kindern noch deutlich nahe geht.

Mackenzie entschuldigt nichts, liefert seinen Bankräubern aber reichlich Background, um dem Publikum deren Taten näher zu bringen. Dennoch ist Hell or High Water ein Schauspieler-Film, der sich auf die Präsenz seines Casts verlässt und die Sympathien zwischen Jägern und Gejagten fair aufteilt. Denn obwohl man bei den Motiven der Brüder Verständnis für ihre Taten aufbringt, nimmt man doch auch keinen Moment Bridges seine Jagd auf die beiden übel. Mackenzie täuscht hier – auch im Trailer – einen Neo-Western über harte Männer an, die sich als gar nicht so hart erweisen. Und den für Western typischen Showdown präsentiert der Schotte auch gänzlich anders, als man das wohl erwartet hat. 

Fazit

Viele Zuschauer wird Hell or High Water hierzulande wohl nicht in die Kinos locken, das Spiel mit uramerikanischen Klischees und tatsächlichen Ist-Zuständen im Nirgendwo des großen Landes spricht europäische Gemüter wohl kaum an. Und ein großes Spektakel ist der Film auch nicht, hier passiert viel mit kleinen Worten und Gesten. Immerhin gibt es bei der überschaubaren Handlung überraschende Momente, die im Gedächtnis bleiben. Kleines, feines Schauspielerkino, das aber leider nicht sehr aufregend ausfällt.

Hell or High Water startet am 12. Januar in den deutschen Kinos.

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