Da ist sie nun, die Neuverfilmung des Romans von Stephen King, den viele für seinen besten halten: ES. Nachdem der Trailer schnell neue Rekorde im Internet aufstellte, wuchsen bei Verleih und Machern die Erwartungen. Nichts weniger als ein mächtiger Blockbuster soll der Film werden. Hat er das Zeug dazu?
Als der Roman 1986 erschien, wurde schnell klar, dass der Meister des Horrors sich selbst übertroffen hatte. Kein Buch verkaufte sich in den USA in dem Jahr besser und seitdem haben Generationen von Lesern sich bei der Lektüre eine ernsthafte Clowns-Phobie zugezogen. Nachdem die Verfilmung lange Jahre in der Produktionshölle hing und zwei Regisseure verschliss, schien klar, ES würde es nie ins Kino schaffen. Doch nachdem Cary Fukunaga 2015 die Brocken hingeworfen hatte, kam mit Andy Muschietti Regisseur Nummer drei an Bord – und das war offenbar eine Glückszahl. Denn nun ist der Film fertig – und schickt sich an, einer der erfolgreichsten Horrorfilme aller Zeiten zu werden.
ES: Die Handlung
Bill Denborough (Jaeden Lieberher) vermisst seinen kleinen Bruder Georgie, der seit Monaten verschwunden ist. Genau wie einige andere Kinder in der kleinen Stadt Derry in Maine. Gemeinsam mit seinen Freunden sucht er nach Spuren – und findet mehr, als er wollte. Offenbar treibt ein Monster, dass verschiedene Gestalten annehmen kann, sein Unwesen. Alle 27 Jahre häufen sich schlimme Ereignisse und verschwundene Kinder. Die sieben „Loser“ um Bill und die unter einem brutalen Vater leidende Beverly (Sophia Lillis) nehmen den Kampf mit dem Monster auf, dass sich gerne als Pennywise (Bill Skarsgard), der Clown zeigt und folgen der Bestie in die Kanalisation von Derry …
ES: Doppelter Horror
Das Publikum dürfte sich bei diesem Film in zwei Gruppen aufteilen. Kenner des Romans oder der Mini-Serie von 1990, die recht genau wissen, worauf sie sich hier einlassen. Und Zuschauer, die das Buch und die Serie nicht kennen – und gute Nerven brauchen werden. Denn Regisseur Andy Muschietti hat nur wenig Abstriche gemacht, was Härte und Intensität der Vorlage angeht. Gleich zu Beginn zeigt er mit Georgies Tod den vielleicht grausamsten Moment des Films, denn das Kinder brutal getötet werden, ist in Hollywood doch eher selten. Blutiger ist nur noch die Szene in Beverlys Badezimmer (die Fans wissen Bescheid). Neben dem Monster, das von Bill Skarsgard deutlich anders angelegt ist als in der alten Version von Tim Curry, spielt aber auch der andere Horror eine Rolle. In Kings Roman nehmen die alltäglichen Probleme der sieben Kinder einen breiten Raum ein. So wird Beverly von ihrem Vater verprügelt, während Bills Eltern ihn nach Georgies Tod kaum mehr wahrnehmen. All das spart Muschietti nicht aus und macht ES deshalb insgesamt zu einer gelungenen Verfilmung des Buches.
Tatsächlich erinnert manche Szene des Films an die King-Verfilmung „Stand by Me“ (nach der Novelle „Die Leiche“), in der ebenfalls der Zusammenhalt von Kindern im Vordergrund steht. Da das aber auch in der Vorlage schon der Fall ist, wird es King-Kenner wenig überraschen. Sogar der Humor, den es auch im Roman durchaus gibt, hat es in den Film geschafft. Hauptsächlich in Form von „Stranger Things“-Star Finn Wolfhard, der den ewig quatschenden Richie Tozier spielt. Immer wieder gönnt Muschietti seinem Publikum so ein befreiendes Lachen, dass angesichts der exzellent in Szene gesetzten Schockmomente auch bitter nötig ist.
ES: Kleine Mängel
Dass der Film nur sehr gut, aber kein Meilenstein des Horrorfilms wurde, liegt denn auch mehr an Kleinigkeiten. So fehlt die im Roman genutzte Struktur des ständigen Springens zwischen zwei Zeitebenen, weswegen man beim Lesen die Story der Kinder und ihrer erwachsenen Versionen 27 Jahre später parallel erlebt. Der Film erzählt nur den Kinderteil und tut sich daher deutlich schwerer mit dem Spannungsaufbau. Das geht auch zu Lasten einiger legendärer Szenen im Buch wie etwa der Rauchhütte oder dem Schleuderschieß-Wettbewerb, die im Film fehlen.
Gravierender sind aber die kleinen Änderungen von Drehbuchautor Gary Dauberman, der gerade für „ES: Chapter 2“ verpflichtet wurde. So mischte er Szenen der Kinder mit denen der Erwachsenen. Dinge, die eigentlich erst 27 Jahre später ans Licht kommen oder passieren, lässt Dauberman bereits jetzt geschehen. Zugunsten der Dramatik ändert er auch den Beginn des Finales deutlich. Das werden ihm zumindest King-Puristen sicher übel nehmen. Hier macht Muschietti seinen Job besser, denn an der ständig bedrohlichen Atmosphäre und den Attacken der Bestie auf die Kinder gibt es nichts zu meckern. Das ist Spannungskino aus sehr hohem Niveau.
ES: Traumhafter Cast
Da muss sich Muschietti aber auch bei seinen Darstellern bedanken, denn der Loser-Club liefert eine grandiose Leistung ab. Ob es der kleine, kränkliche Eddy (Jack Dylan Grazer) ist oder der kluge, pummelige Ben (Jeremy Ray Taylor), der so sehr für Beverly schwärmt. Von deren Darstellerin Sophia Lillis dürfte man in Zukunft noch hören, denn sie spielt die Schlüsselrolle des Films als einziges Mädchen, das die Gruppe zusammenhält, mit so viel Verletzlichkeit und Kraft, dass es kein Wunder ist, wie sehr die Jungs für sie schwärmen. Jaeden Lieberher ist hingegen schon fast ein Profi, schließlich hat der 14-jährige schon jahrelange Erfahrung in Film und TV. Seine Darstellung von „Stotter-Bill“ ist ebenso gut wie die Leistungen der anderen, nur eben nicht so überraschend.
Als einziger Erwachsener ist Bill Skarsgard in einer großen Rolle zu sehen, aber in einer wichtigen. Als Pennywise muss er dem Publikum Angst machen – und das gelingt ihm ausgezeichnet. Er legt dabei die Rolle deutlich ernster an als der hochgelobte Tim Curry 1990. Der Skarsgard-Clown hat sehr viel weniger Text und ist häufiger in blutiger Aktion, dem Schauspieler gelingt es aber auch, die Fremdartigkeit des Wesens sehr gut zu zeigen. Niemand würde hier denken, der Clown könnte wirklich ein Mensch sein, nachdem er ihn gesehen hat.
Einziges Manko, für den der Film allerdings nichts kann: Wer den Roman kennt, wird sich in ES nicht so sehr gruseln, denn er weiß ja, was kommt. Wenn Sie also im Kino jemanden neben sich sitzen haben, der gelegentlich beifällig nickt oder lächelt, dann hat er oder sie das Buch gelesen. Sitzt neben ihnen jemand, der sich häufig an die Lehne seines Sessels krallt oder heftig atmet, kennt er die grauenerregende Geschichte von ES wohl noch nicht. Aber beide Gruppen werden hier ihren „Spaß“ haben. Um eine wirklich werkgetreue Adaption des Stoffes zu drehen, müsste aber wohl eine zehnteilige Serie her.
Fazit:
Zum Meilenstein des Genres fehlt ein Stück, richtig gut ist ES aber schon geworden. Durch virtuos inszenierte Schockmomente und einen tollen Cast schüttelt Muschietti sein unwissendes Publikum ordentlich durch, während er bei Fans des Stoffes verklärte Blicke erzeugen dürfte. Dass viel fehlt, muss klar sein: Es ist nur die halbe Geschichte und selbst die ist noch ordentlich gekürzt. Aber der Teil, der es in den Film geschafft hat, macht Angst. Und dürfte ES zum erfolgreichsten Horrorfilm der vergangenen Jahre machen.
ES läuft ab dem 28. September in den deutschen Kinos, vorher als Eröffnungsfilm des Fantasy Film Fests in einigen deutschen Großstädten.
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