Rosamund Pike
Amazon Studios

Serienkritik: Das Rad der Zeit

Der Fantasy-Zyklus „Das Rad der Zeit“ ist mit 14 dicken Romanen nicht nur die bisher umfangreichste High-Fantasy-Saga überhaupt, sie brauchte auch lange, bis sie fertig war. So lange sogar, dass der an einer Krankheit leidende Schriftsteller Robert Jordan sie nicht mehr selbst beenden konnte. Und seine Witwe einen anderen Autoren bat, die Story nach den Aufzeichnungen ihres Mannes zu Ende zu schreiben. Somit wird dem Serienkenner schnell klar: Auf eine lückenlose Umsetzung der gesamten Geschichte braucht man hier nicht zu hoffen. Selbst bei sieben oder acht Staffeln wäre längst nicht alles erzählt, stattdessen dürfte es eher die Essenz der Romane werden, die hier das Gerüst bilden. Was lässt sich nach den ersten drei Folgen über die Serie sagen? Das verrät die Kritik.

The Wheel of Time
Nach ahnen Rand und Egwene nichts von den Abenteuern , die vor ihnen liegen.

Die Handlung

Das dritte Zeitalter ist angebrochen. Vor mehr als 1000 Jahren hat der „Drache“ Lews Therin Thelamon den dunklen Herrscher besiegt – aber dabei fast die Welt zerstört. Nun mehren sich die Zeichen, dass der Drache wiedergeboren wurde und die Aes Sedai, ein Orden magiefähiger Frauen, begeben sich auf die Suche nach dem mächtigen Wesen. Von all dem wissen die Menschen im Gebiet der Zwei Flüsse nichts, sie leben in ihrem Dorf zusammen und sorgen sich eher um die Ernte, als vor einer dunklen Macht Angst zu haben, von der sie nur aus Märchen etwas wissen. Das ändert sich, als eines Tages die Aes Sedai Moiraine (Rosamund Pike) und ihr Behüter Lan Mandragoran (Daniel Henney) dort eintreffen und nach dem wiedergeborenen Drachen suchen.

Bald wird klar, dass mehrere junge Männer infrage kommen, die alle das richtige Alter hätten und auch gute Freunde sind. Der Schmied Perrin Aybara (Marcus Rutherford), der bereits verheiratet ist, könnte der Drache sein, ebenso wie Mat Cauthon (Barney Harris), ein Spieler, der meist auf der Jagd nach dem schnellen Geld ist. Oder ist es doch Rand al’Thor (Josha Stradowski), der große rothaarige Junge, dessen Vater einst in den Kriegen gekämpft hat? Und der mehr als nur ein Auge auf die junge Egwene (Madeleine Madden) geworfen hat, die von der Dorfschamanin Nynaeve (Zoe Robins) als ihre Nachfolgerin auserkoren wurde. Moraine hat keine Zeit mehr, das herauszufinden, als eine Armee der Kreaturen des dunklen Königs in den Zwei Flüssen auftaucht …

Viel Tolkien mit guter Optik

Eine Gruppe junger, unbedarfter Helden muss fliehen, begleitet von einem erfahrenen Zauberer. Immer wieder tauchen dunkle Reiter auf und verfolgen die Gruppe, denn einer von ihnen ist eine große Bedrohung für den bösen Herrscher. Selbst ohne eine solche Verkürzung der Story wird vielen Fantasy-Fans auffallen, dass Robert Jordan sich zu Beginn seiner Saga ausgiebig beim Heiligen Gral der Fantasy, Tolkiens Epos „Der Herr der Ringe“ bedient hat. Und das bleibt in den frühen Bänden auch noch eine Weile so, erst später hat der Autor sich vom Einfluss Tolkiens ein wenig freistrampeln und vermehrt frische Ideen in sein Epos einbauen können. Und so kommen dem Zuschauer bei den ersten Folgen der Rad der Zeit-Serie vermutlich einige Dinge bekannt vor.

Das liegt nicht nur an der Handlung. Auch die Optik des mittelalterlich anmutenden Dorfes ist nichts, was ein Fan von Fantasy-Stoffen nicht schon häufig gesehen hat. Die beiden Faktoren gemeinsam sorgen aber dafür, dass die erste Folge der Serie nicht gerade sonderlich originell wirkt. Was nicht heißen soll, dass es keinen spaß macht, die Serie zu sehen, denn die Effekte und Kampfszenen können sich absolut sehen lassen und hinken modernen Kinofilmen keinesfalls hinterher. In jeder drei Folgen, die Amazon Prime vorab zeigte, gibt es echte Hingucker wie blutige Kämpfe, verwunschene Städte oder spektakuläre Naturaufnahmen. Billige Looks mangels Budget, wie beispielsweise in den „Shannara Chronicles„, braucht man hier nicht zu befürchten.

Wheel of time
Doch schon bald müssen die jungen Leute des Dorfes mit der Magierin Moiraine und ihrem Behüter die Heimat verlassen.

Tradition statt Innovation

Das ganze Setting der Serie ist sehr traditionell und wirkt deshalb auch nicht immer frisch. Im Vergleich zu Serien wie „Shadow and Bone“ mit dem osteuropäischen Look oder „Carnival Row“ mit dem in Filmen und Serien noch nicht so oft genutzten Steam-Punk-Einfluss ist Das Rad der Zeit eher altbacken. Und richtet sich daher vor allem an Fantasy-Fans, die auf Magie, Monster und große Prophezeiungen nicht verzichten möchten. Und diese Zielgruppe wird bereits in den ersten Folgen auch abgeholt. Rosamund Pike macht aus ihrer Gandalf-ähnlichen Rolle das Beste und überzeugt schnell als eigentlich guter Charakter mit einigen Geheimnissen. Der Rest des umfangreichen Ensembles hat aber noch wenig Gelegenheit, sich ins Gedächtnis des Publikums zu spielen. Das dürfte die spätere Handlung erleichtern.

Und die geht immerhin flott los. Die Autoren verlieren keine Zeit, um das dicke erste Buch in acht Folgen erzählen zu können. Dass darunter ein wenig die Charakterzeichnung leidet, ist kein Wunder, daher dürften Nicht-Kennern der Romane auch nach drei Episoden die Figuren noch ein wenig fremd erschienen. Die Serie hat schlicht keine Zeit, sie näher vorzustellen. Doch viele Einzelheiten, die bald oder in einigen Staffeln noch eine Rolle spielen, sind bereits durchaus gekonnt angelegt und sorgen für Spannung. So wird bald klar, dass Perrin eine besondere Beziehung zu Wölfen entwickelt. Und Mats Fund in einer verfluchten Stadt dürfte auch nicht ohne Folgen bleiben. Das Gesamtbild darüber, wie groß und verzweigt die Story eigentlich ist, wird nach wenigen Stunden aber noch nicht wirklich klar.

Das Rad der Zeit
Dabei landet die Gruppe in der längst verlassen Stadt Shadar Logoth. Doch die ist nicht so unbewohnt wie erwartet.

Kein neues Game of Thrones

Was sich schon sagen lässt, ist aber, dass die Serienmacher nicht versuchen, hier ein weiteres „Game of Thrones“ entstehen zu lassen. Zwar ist Das Rad der Zeit deutlich brutaler als beispielsweise die Herr der Ringe-Filme, so blutig wie die GoT geht es aber nicht zu. Und in Sachen Sex gibt sich die neue Prime-Serie sehr züchtig und unterscheidet sich deutlich von der erfolgreichen HBO-Serie. So liegt der Schwerpunkt tatsächlich auf der Handlung, die zwar sehr linear beginnt, wie beim Tolkien-Vorbild aber bald in mehrere Stränge zerfällt, die parallel erzählt läuft. Wer also eigentlich Fan klassischer Fantasy ist, von den ersten Folgen aber noch nicht komplett überzeugt wurde, sollte der Serie weiterhin eine Chance geben. Da kommt noch einiges!

Fazit:

Mit Das Rad der Zeit bleibt Amazon Prime stark in der traditionellen High-Fantasy verhaftet und erzählt von edlen Kriegern, Magiern und Helden wider Willen im Kampf gegen böse Mächte, die mit monströsen Kreaturen über die Menschen herfallen. Das ähnelt Tolkiens Erzählungen, ist aber nicht ganz so episch. Dennoch dürften viele Aspekte der Serie vor allem Fans dieser klassischen Fantasy-Richtung gefallen. Und weil der Beginn der Saga trotz einiger Highlights im Vergleich mit der späteren Handlung eher schwächer ausfällt, können alle, die jetzt schon zufrieden sind, sich auf deutlich mehr freuen. Wer bislang noch nicht gekickt ist, sollte der gut ausgestatteten und gespielten Serie noch ein paar Episoden länger eine Chance geben.

Das Rad der Zeit startet am 19. November 2021 bei Amazon Prime.

Wer mehr über die Hintergründe der Saga wissen möchte, klickt hier.

The Wheel of Time
Währenddessen machen Moiraines Ordensschwestern Jagd auf Männer, die Magie beherrschen. Aber warum?