Free Fire

Filmkritik: Free Fire

Kann man einen Kultfilm planen? Regisseur Ben Wheatley hat es mit „Free Fire“ offenbar versucht: In einem verlassenen Lagerhaus in Boston läuft 1978 der wohl schlimmste Waffendeal aller Zeiten komplett aus dem Ruder: Sharlto Copley, Brie Larson, Armie Hammer und andere schießen aufeinander, bis der Zeigefinger schmerzt. Und dem Zuschauer auch die Lachmuskeln?

Früher war mehr Lametta? Früher war mehr Blei! Was hier an Kugeln durch die Luft fliegt – und mitunter auch jemanden trifft – hätte manchem Kriegsfilm zur Ehre gereicht. Dennoch ist Free Fire weit davon entfernt, ein knallharter und dreckiger Gangsterfilm zu sein, denn er ist ein knallharter und dreckiger Film über große Idioten mit viel zu viel Temperament und ausnehmend wenig Zielwasser. Und das ist meistens brüllend komisch.

Free Fire: Die Handlung

An einem Abend des Jahres 1978 treffen irgendwo in Boston in einer lange leerstehenden Fabrikhalle die IRA-Gang von Chris (Cillian Murphy) auf die Gang des Waffenhändlers Vernon (Sharlto Copley). Mit dabei sind die Vermittler Ord (Armie Hammer) und Justine (Brie Larson, „Kong – Skull Island„), auf die nicht nur Chris ein Auge geworfen hat. Chris will Waffen kaufen, Vernon welche loswerden und doch endet der Deal kurz vor einem guten Ende in einem Blutbad. Denn Stevo (Sam Riley), der für die Iren den Bus fahren soll, hat vergangene Nacht in einem Club ein Mädchen krankenhausreif geprügelt. Und dieses Mädchen war eine Verwandte von Harry (Jack Raynor, „Sing Street“), dem Fahrer von Vernons Gruppe. Der Wucht, mit der die beiden Streithähne aufeinander losgehen, hat niemand etwas entgegenzusetzen und bald entbrennt eine Schießerei, die in Sachen Dauer und Dilettantentum ihresgleichen sucht … 

Programmkino, Dude!

Ganz klar, hier wollte jemand einen Kultfilm drehen. Was Regisseur Ben Wheatley hier nach eigenem Script für ein Feuerwerk an absurden Situationen, Dialogen und Schusswechseln inszeniert, hat man tatsächlich so noch nicht gesehen. Bislang war Wheatley eher durch Kino mit Anspruch wie „High-Rise“ oder „A Field in England“ aufgefallen, dass er auch weitgehend intelligenzbefreiten, blutigen Spaß drehen kann, beweist er mit Free Fire. Dabei gelingt ihm das Kunststück, jeden beteiligten Charakter mit wenigen Sätzen und Szenen soviel Tiefe zu verleihen, dass dem Zuschauer die Schicksale der Schmalspur-Ganoven tatsächlich nicht egal sind. Leider nicht über die gesamten 90 Minuten. Hin und wieder hat das Kammerspiel, das bis auf wenige Minuten zu Beginn komplett in einer Fabrikhalle angesiedelt ist, ein paar Längen.

Was nicht an den Schauspielern liegt: Die haben einen derart offensichtlichen Spaß an ihren Rollen, dass sie schon das Geld für die Eintrittskarte wert sind. Sharlto Copley spielt den vertrottelten Waffenhändler Vernon wunderbar übertrieben. Brie Larson hat die undurchsichtige Femme Fatale locker drauf und auch Cillian Murphy glänzt als IRA-Mann mit ganz kurzer Zündschnur. Aber auch der Rest erfüllt seine Rollen mit genug Leben, um sich als Zuschauer die durchaus interessierte Frage zu stellen, ob er wohl mit selbigem davonkommt.

Free Fire
Da ist die Welt noch in Ordnung: Mit Justine und Ord im Schlepptau rücken die Iren um Chris zum Waffendeal an.

Grundkurs Leute töten

Seine stärksten Momente hat Free Fire in den Details: So erfährt der viel zu früh gestorbene Country-Schmuser John Denver hier bereits zum zweiten Mal die Ehre, einen Song zu einem brillanten Film-Moment beizutragen. Passte in „Final Destination“ sein „Leaving on a Jetplane“ wie die Faust aufs Auge, versuchen sich hier, etliche Männer zu den Klängen von „Annie’s Song“ um die Ecke zu bringen – schöner kann ein Kontrast kaum sein. Passend zur Musik sind auch die Kostüme: Fiesere 70-er Klamotten waren auf der Leinwand lange nicht zu sehen. Den Vogel schießt hier sicher Copley mit rosa Hemd und hellgrau-kariertem Sakko ab – das allein dürfte schon ein Grund gewesen sein, warum ihm die andere Gruppe nach dem Leben trachtet. 

Wheatleys Vorbild war sicher das frühe Werk Quentin Tarantinos, die Mischung von lakonischem Sprüchen und heftigen Gewaltausbrüchen wirkt wie eine Blaupause von „Reservoir Dogs“. An den amtierenden Großmeister des banale Dialoge als Kunst verkaufens kommt Wheatley aber nicht heran, oft fehlt die Leichtigkeit und die letzte Raffinesse, die Tarantinos Drehbücher auszeichnen. Aber für den ersten Versuch, eine blutig-banale schwarze Komödie zu inszenieren, ist Free Fire schon recht gelungen.

Fazit:

Nein, die lakonische Eleganz eines frühen Tarantinos kann Regisseur Ben Wheatley hier nicht erschaffen, aber er scheitert ehrenhaft beim Versuch. Was er seinem außerordentlich spielfreudigen Ensemble verdankt: Copley, Murphy, Hammer und Larson tragen die 90-minütige Bleiorgie locker ins Ziel, auch wenn der Humor nie die Schwärze von „Reservoir Dogs“ oder die Brutalität von „Kill Bill“ erreicht. Viele Zuschauer mit einem Filmgeschmack etwas abseits des Unterhaltungs-Mainstreams werden sich sicher in Free Fire verlieben und ihn mehr als einmal sehen wollen. „Come love me again“, um es mit John Denvers Worten zu sagen.

Free Fire startet am 6. April in den deutschen Kinos.

Free Fire
Eine Erscheinung zum blind werden: Sharlto Copley als vertrottelter Waffendealer Vernon.