Dev Patel

Filmkritik: The Green Knight

Arthouse-Kino – das ist für manche gleichbedeutend mit unfassbar langweiligen und seltsamen Filmen. Für andere hingegen ein Grund, ein Kino zu besuchen. David Lowery ist einer der Stars des Arthouse-Films. Der Regisseur inszenierte unter anderem „A Ghost Story“ für die Produktionsfirma A24, die wie keine andere für Arthouse steht – und auch Lowerys neuestes Werk „The Green Knight“ produzierte. Lowery, der gerade für Disney den potenziellen Blockbuster „Peter Pan und Wendy“ inszeniert, verabschiedet sich also fürs Erste mit dem Ritterfilm von A24 und seinem angestammten Terrain. Löst er mit seinem Film Jubelstürme oder nur Fragezeichen aus? Das klärt die Kritik.

The Green Knight
Nach dem Willen seiner Mutter soll Gawain einmal König sein, doch bislang hat er wenig Ritterliches zustande gebracht.

 Die Handlung

Das mythische England der Artus-Saga: Ritter Gawain (Dev Patel) ist zwar als Neffe des Königs ein wichtiger Mann, allerdings findet er den Körperkontakt im Bett der Hure Esel (Alicia Vikander) viel spannender als auf den Schlachtfeldern des Landes. Und so muss er im Gespräch mit seinem Onkel einräumen, dass er noch keinerlei ritterlichen Taten zu bieten hat. Weil Gawain dennoch auf den Thron hofft, empfindet er das als mögliches Hindernis für seine künftige Position. So nutzt er die Gelegenheit, als sie sich bietet. Ein geheimnisvoller Ritter dringt in die Halle des Königs ein und schlägt ein Spiel vor. Ein Ritter darf versuchen, ihn zu treffen, er selbst würde das ein Jahr später mit gleicher Münze zurückzahlen. Gawain meldet sich freiwillig, der Kämpfer für den gebrechlichen König zu sein.

Doch statt das Spiel als solches zu sehen, nutzt Gawain die Möglichkeit, dem Grünen Ritter den Kopf abzuschlagen. So denkt er, sei er vor einer möglichen Revanche sicher. Doch der Körper erhebt sich wieder, nimmt den Kopf in die Hände und erinnert Gawain an sein Versprechen: In einem Jahr muss Gawain den Ritter in seinem Zuhause besuchen und den gleichen Schlag hinnehmen, den er ausgeteilt hat. Als das Jahr fast vorüber ist, macht sich Gawain schweren Herzens auf den Weg, um sein Gesicht vor den anderen Rittern nicht zu verlieren. Auf seiner Reise in den Norden des Reiches begegnen ihm einige sonderbare Gestalten. Manche von ihnen bieten Gawain Hilfe an, andere sind ihm weniger freundlich gesonnen. Kann der junge Ritter seinen Kopf retten?

800 Jahre alte Vorlage

Die Vorlage zu diesem Film ist wohl eine der ältesten, die je zum Kinoerlebnis wurden. Das Gedicht „Sir Gawain und der Grüne Ritter“ stammt vermutlich aus dem 14. Jahrhundert und erzählt die Geschichte, an die sich Lowerys Film weitgehend hält. Allerdings gibt es auch deutliche Unterschiede, gerade in der Deutung der Story. So ist der literarische Gawain ein strahlender Held, der die ritterlichen Tugenden genauestens beachtet, während der Gawain in Lowerys Film sehr viel unvollkommener und menschlicher gezeigt wird. Dev Patel spielt diesen ambivalenten Charakter mit großer Intensität. Und nimmt so die Zuschauer mit in eine Geschichte, die sich weder an normale Erzählstrukturen hält, noch sonderlich viel mit klaren nachvollziehbaren Aussagen zu tun hat.

Hier zeigt sich einmal mehr Lowerys Verständnis von Film und warum man den Regisseur zum Arthouse-Kino rechnet. Schon in A Ghost Story, wo er Rooney Mara minutenlang Kuchen essen lässt, zeigte Lowery wenig Interesse daran, seine Vision der Geschichte in irgendeiner Weise einfach konsumierbar zu inszenieren. Vielmehr erzählt der 40-jährige Amerikaner seine Fassung der Abenteuer von Gawain bewusst in rätselhaften Szenen und Bildern. Die sind zwar deutlich anstrengender anzusehen als der Unterhaltungsfilm von nebenan, laden aber interessierte Zuschauer eben auch dazu ein, sich selbst Gedanken über eine mögliche Interpretation des Gesehenen zu machen. Wer einen einfach zu verstehenden Film sehen möchte, ist in The Green Knight jedenfalls definitiv falsch.

The Green Knight
Als der Grüne Ritter den König von Camelot fordert, sieht Gawain seine Chance und kämpft für Artus.

Grandiose Bilder, rätselhafte Story

Dennoch gibt es auch für Zuschauer, die eigentlich keine Lust auf Arthouse haben, einen guten Grund, sich Lowerys neuen Film anzusehen: Er sieht absolut grandios aus! Während Lowerys Geistergeschichte inhaltlich und optisch eher karg ausfiel, schwelgt der Regisseur in The Green Knight in tollen Bildern und erschafft die mythologisch reiche Welt der Artussaga in seinem eigenen Look gänzlich neu. Weit entfernt von der Hochglanz-Optik eines „Der erste Ritter“ und auch von John Boormans opernhafter Version „Excalibur“ zeigt Lowery Artus‘ England als dreckiges Mittelalter der Menschen, das im starken Kontrast zur wunderschönen Natur steht. Dennoch bleibt Gawains Reise auch durch den häufig vorhandenen Nebel und fast durchgehend diffuse Beleuchtung immer auch ein wenig unheimlich.

Das trifft auch auf die meisten Charaktere zu, denen Gawain auf seinem Weg in den möglichen Tod begegnet. So trifft er mit Winifred (Erin Kellyman) einer Toten, die Hilfe braucht. Und einem Schlossherren (Joel Edgerton), der nicht nur ein großer Jäger ist, sondern auch mit einer Lady (Alicia Vikander) verheiratet ist, die aussieht wie Gawains Freundin Esel. Darüber kann man sich so seine Gedanken machen – aber man muss es nicht. Denn Lowerys Film vermittelt nie den Eindruck, dass man etwas verpasst, wenn man die eine oder andere Szene nicht versteht. Nicht selten ist gar nicht klar, ob Lowery abseits des Offensichtlichen tatsächlich weitere tiefe Botschaften transportiert. Oder einfach nur einen Film machen wollte, der rätselhafter wirkt als er ist.

Wie wichtig ist die Bedeutung?

The Green Knight
Ein Jahr später tritt Gawain den Gang in den möglichen Tod an – die Axt des Grünen Ritters im Gepäck.

Was nicht heißt, dass Lowery nichts zu sagen hätte. Vor allem durch seine Hauptfigur, dem hedonistischen Gawain, der gern besser und ritterlicher wäre als er ist, kommentiert Lowery immer wieder klug über das Wesen des Menschen. Und lädt Zuschauer ein, über ungeklärte Fragen auch nach dem Film noch nachzudenken. Wofür steht der Grüne Ritter, ist er eine Metapher auf die Natur, die gegen den Menschen zurückschlägt? Sind er und der Schlossherr ein und dieselbe Person? Was bedeutet das Finale? Das Schöne an The Green Knight ist, dass man über all diese Dinge diskutieren kann – aber nicht muss. Denn auch wer gar keine Lust dazu hat, geht aus dem Kinosaal und hat einen bildgewaltigen und interessanten Film gesehen.

Fazit:

Mit The Green Knight legt Regisseur und Drehbuchautor David Lowery einen ebenso rätselhaften wie optisch umwerfenden Film vor, der die mittelalterliche Vorlage auf eine ganz eigene Art interpretiert. Und mit seinen stets interessanten aber selten eindeutigen Szenen viele Fragen aufwirft, von denen er kaum eine beantwortet. Doch auch wer mir großen Fragezeichen über dem Kopf den Kinosaal verlässt, kommt dennoch durch die wunderschönen und durchweg stimmungsvollen Bilder auf seine Kosten. Dieser Film ist ganz bestimmt nicht Jedermanns Sache, wird aber Fans solcher Arthouse-Abenteuer dafür umso mehr abholen.

The Green Knight startet am 29. Juli 2021 in den deutschen Kinos.

Joel Edgerton
Der Lord eines Schlosses lädt Gawain ein, über die Weihnachtstage zu bleiben. Welche Ziele verfolgt der Mann?