Tier- und Natur-Dokumentationen stehen bei vielen Zuschauern hoch im Kurs. Und wenn man sich die neueste Netflix-Produktion „Unser Planet“ ansieht, weiß man auch warum. Die besten Tierfilmer der Welt drehten hier zehn Folgen über die Schönheit, aber auch über die akute Bedrohung, von Paradiesen auf Erden. Entspricht das dem hohen Standard, den deutsche Eigenproduktionen aufweisen? Ist es gar besser?
Obwohl kaum jemand ihre Namen kennt, so blicken die Produzenten von Unser Planet doch schon auf eine lange und erfolgreiche Karriere zurück. Alastair Fothergill und Keith Scholey haben bereits Natur-Dokus wie „The Blue Planet“, „Planet Earth“ und „Frozen Planet“ für die BBC zu verantworten und zeigen zwar kein besonderes Talent für unterschiedliche Titel, dafür aber ein gutes Händchen für die besten Kameraleute der Welt, wenn es um Tieraufnahmen geht. Wie gut ist ihr neuestes Werk?
Unser Planet: Die Handlung
Eine durchgehende Handlung bietet Unser Planet natürlich nicht, schließlich ist es eine Doku-Reihe. Aber ein Motto lässt sich in den zehn Episoden dennoch klar feststellen. Denn der Sprecher (im Original Tierfilm-Legende David Attenborough, auf deutsch mit Christian Brückner die deutsche Stimme von unter anderem Robert DeNiro) stellt in seinen Texten Hoffnung neben Fakten, zeigt die Zerstörung von komplexen Lebensräumen durch den Menschen ebenso wie Orte, an denen sich die Flora und Fauna durch Naturschutzmaßnahmen zu erholen beginnen.
In jeder Episode widmet sich die Serie einem bestimmten Lebensraum wie dem Dschungel, dem Wald oder den Küstenmeeren. Und zeigt dort anhand optisch stets spektakulär aufbereiteter Aufnahmen die Probleme, die dort durch den Menschen entstanden sind. Aber auch vorbildlichen Schutz solcher Lebensräume, so es sie denn gibt. Das ist zwar stets wissenschaftlich fundiert, allerdings hält sich die Serie mit großen Belehrungen über Details zurück und präsentiert stattdessen ein Gesamtbild, das sich aus den zahlreichen Fakten ergibt.
Unser Planet: Unglaubliche Bilder
Die Serie verfolgt das klare Ziel, dem Zuschauer die Augen für das zu öffnen, was tagtäglich durch das Alltagsverhalten verloren geht. Und das geht am besten über Bilder, die für sich sprechen. Die bietet Unser Planet im Übermaß, und das von einer Qualität, wie man sie nicht in jeder Tierdoku zu sehen bekommt. Was die Kameraleute hier eingefangen haben, ist teilweise schlicht atemberaubend. Und baut sehr schnell ein emotionales Band zwischen Zuschauer und der Natur auf, die sich hier in ihrer ganzen Pracht, aber auch Brutalität zeigt.
Dabei setzt die Reihe keineswegs nur auf den Niedlichkeitsfaktor von Jungtieren, um den Zuschauer zu kriegen. So dreht sich die Episode der Küstenmeere weitgehend ums Jagen und Fressen. Und das Publikum bekommt unter anderem einen unglaublich intensiven Raubzug Dutzender Riffhaie mit, die in der Nacht über den Korallenwald herfallen. Das ist ebenso wenig niedlich wie Millionen von Seevögeln, die sich von einem gigantischen Schwarm Sardellen ernähren. Und doch kann man kaum wegsehen, so eine Sogwirkung entfalten diese Szenen.
Unser Planet: Eindringliche Botschaft
Dabei kann man sich nur vorstellen, welche Geduld die Dreharbeiten solcher Momente erforderten. Schließlich haben die Darsteller nicht das geringste Interesse daran, irgendetwas zu tun, was der Regisseur in dem Moment gern hätte. Allein die Drehzeit dürfte seit der Ankündigung der Serie 2015 mehrere Jahre gedauert haben. Von Nachbearbeitung und Schnitt gar nicht zu reden. Und gerade dem oder den Cuttern gebührt besondere Erwähnung, denn die Aneinanderreihung der Bilder erzeugt hier erst den Großteil des Zaubers, den sie ausstrahlen.
Gemeinsam mit der Musik, die viele der besonderen Momente dieser Serie perfekt untermalt, entwickeln die Episoden eine Qualität, die selbst für die ohnehin schon sehr hochwertigen Tier-Doku-Produktionen der vergangenen Jahre noch in den Schatten stellen – zumindest in einigen der Folgen. Viel textliche Erklärungen sind oftmals gar nicht nötig. Und so lässt die Regie meist die Bilder für sich sprechen und setzt nur an notwendigen Punkten kurze Off-Texte ein, damit der Zuschauer beispielsweise weiß, wo er sich gerade befindet.
Wem auch nur ein letzter Rest Respekt für die Natur und ihre schöpferische Kraft geblieben ist, der muss beim Ansehen dieser Serie einfach emotional werden. Denn in ihren zehn Folgen zeigt Unser Planet erschreckend klar, wie gut die Lebensräume funktionieren – so lange der Mensch sich heraushält. Und welche zerstörerischen Kräfte er unabsichtlich oder mit Vorsatz mit sich bringt. Ob es der Regenwald ist, der Palmen-Plantagen für billiges Palmöl weichen muss. Oder das Meer, dessen Ökosystem durch Überfischung und Klimaerwärmung vor dem Kollaps steht.
Fazit:
Unser Planet bietet unglaubliche Aufnahmen aus der Natur – aber das ist längst nicht alles. Mit feinem Händchen komponieren die Macher aus Bildern, Musik und Fakten ein Panorama einer sterbenden Welt, deren zahlreiche Ökosysteme samt und sonders massiv bedroht sind. Dabei kommt Unser Planet nie mit dem Holzhammer, der dem Zuschauer ein schlechtes Gewissen machen will. Sondern zeigt einfach nur, was wir verlieren, wenn nichts passiert. Das macht Unser Planet zu einer wunderschönen, aber auch sehr melancholischen Doku-Serie.
Unser Planet startet am 5. April 2019 auf Netflix.
Gesehen: Vier von zehn Folgen