Drei Jahre nach der wohl größten Überraschung, die Marvel in den vergangenen Jahren ins Kino brachte, steht nun die Fortsetzung der lustigsten Heldentruppe an, die der Superheldenverlag bislang schuf. Ist Guardians of the Galaxy Vol. 2 auch so gut wie sein Vorgänger?
Die wer? So ging es wohl vielen Superheldenfans vor drei Jahren, als die neuen Helden erstmals auf die Leinwand kamen, denn nur sehr kundige Comicleser hatten vorher je von den Guardians of the Galaxy gehört. Dennoch ging Marvel das Wagnis ein, nicht nur den relativ unbekannten Regisseur James Gunn mit einem unbekannten Team ins Rennen zu schicken, sondern ihm dafür auch 200 Millionen Dollar Budget zu geben. Wie wir wissen, hat sich das Risiko gelohnt. Aber ist Gunn tatsächlich so gut oder bleiben die Guardians ein One-Hit-Wonder?
Die Handlung
Gleich zu Beginn gibt es Action satt: Während sich Baby Groot zu „Mr. Bluesky“ vom Electric Light Orchestra eingroovt, bereiten sich die anderen auf den Kampf gegen ein interdimensionales Monster vor. Die Sovereign, ein Volk goldhäutiger Snobs, haben den Guardians im Austausch dafür Gamoras Schwester Nebula versprochen, die von ihnen gefangen gehalten wird. Doch bei der Bezahlung nimmt sich Rocket etwas mehr als ausgemacht und schon befinden sich die Guardians auf der Flucht vor gefühlten tausend feindlichen Schiffen. Sie entkommen – aber gerade so. Während sie das beschädigte Schiff inspizieren, landet ein weiteres neben ihnen und dem entsteigt Ego (Kurt Russell), der sich als Star Lords Vater vorstellt. Der Beginn einer reichlich abgedrehten Reise in die Tiefen der Galaxis – und dem, was man Familie nennt …
Kernthema Familie
Keine Frage: James Gunn weiß sehr genau, worum es im neuen Film gehen musste, um für Marvel eine sicher Bank in die Kinos zu bringen. Dazu reichte es, den Erfolg von Teil eins genau zu analysieren und die wichtigsten Bestandteile erneut zu zeigen. Aus Groot, der im ersten Teil schon der heimliche Star war, wird mit Baby Groot eines der niedlichsten Wesen der Filmgeschichte, das mühelos jede Szene an sich reißt, ob mit computergenerierten Kollegen oder menschlichen, ist dabei komplett egal. Die kultverdächtige 70er Jahre-Musik ist ebenfalls wieder dabei, diesmal nicht nur mit eingängigen Hits, sondern auch ein paar anspruchsvolleren Songs (der Bass von Fleetwood Macs „The Chain“ rockt noch immer). Und die Action stimmt auch wieder im zweiten Teil der Saga, deren dritte Folge Gunn auch schreiben und inszenieren wird (vermutlich für einen Kinostart 2020).
Auch auch thematisch entfernt sich Gunn nicht allzu weit vom ersten Teil: Ging es dort um das Zusammenfinden einer Patchwork-Familie aus einsamen Helden, müssen sich die Guardians im zweiten Teil damit befassen, was das eigentlich genau heißt – Familie. Peter Quill steht zwischen zwei Vätern – seinen leiblichen, der ihn verließ, und seinem Pflegevater Yondu, der ihn aufzog. Gamora muss feststellen, dass sich nicht nur für Star Lord etwas fühlt, sondern auch ihre Schwester Nebula nicht hassen kann. Und auch für Rocket und Drax werden die Guardians zu mehr als einem Zusammenschluss von Typen, um Geld zu verdienen. All das verpackt Gunn auf seine typische, witzige Art in Szenen, die sowohl emotional ansprechend als auch unterhaltsam sind – die wohl größte Leistung des Films.
Holprige Mitte
Guardians of the Galaxy Vol. 2 hat tatsächlich nur eine Schwäche, allerdings eine wichtige: Die Hauptstory des Films ist nicht sonderlich gelungen. Da sich die Guardians im Film früh aufteilen, erzählt Gunn zwei Handlungen mehr oder weniger parallel und die Story um Peter und seinen Vater gerät dabei deutlich ins Hintertreffen, obwohl sie doch das emotionale Zentrum des Films sein soll. Tatsächlich sind andere Figuren aber deutlich spannender. Und so ist der zweite Akt des Films spürbar schwächer als der erste und der dritte. Hier hängen Spannung und Emotion etwas durch und können das Interesse an den Figuren nur partiell aufrecht erhalten. Gunn wird von Effekten und Tempo ein wenig übermannt und hat Mühe, die Fäden zusammen zu halten. Das ist aber auch die einzige Schwäche des Films, der ansonsten exakt das abliefert, was das Publikum erwartet.
Dass Guardians of the Galaxy Vol. 2 trotz Durchhängern gut funktioniert, zeigt auch, wie unwichtig die Story hier eigentlich ist: Der unbändige Spaß, den Gunn auch im zweiten Teil entfesselt, genügt völlig, um die Zuschauer ausgezeichnet zu unterhalten. Und überhaupt ist es schwierig, Schwächen im Film zu bemerken, so hart bleibt Gunn auf dem Gas. Man wünscht sich an manchen Stellen tatsächlich, es gäbe die eine oder andere ruhigere Szene, die man den Charakteren gönnen würde. Für Comicfans ist der Film so etwas wie eine sehr frühe Weihnachtsüberraschung: Was Gunn an Anspielungen und Andeutungen in den Film gepackt hat, ist gewaltig. Wer sich im Marvel-Universum auskennt und für jeden Querverweis, den er erkennt, einen Schnaps trinken müsste, er würde das Ende des Films nicht bei Bewusstsein erleben.
Fazit:
Eine etwas zu actionlastige Achterbahnfahrt, der ein wenig mehr Ruhe und eine etwas besser geschriebene Hauptstory gut gestanden hätte. Das macht Gunn allerdings mit einer Extraportion Witz und ungewöhnlich viel Emotionalität wieder wett: Guardians of the Galaxy Vol. 2 ist in mancher Hinsicht schwächer, in anderen Belangen besser als sein Vorgänger, punktet aber letztlich wieder mit den gleichen Dingen: Cooler Retro-Musik, viel Humor und Aliens zum Knuddeln. Wer aber bereits einen Aufgalopp zu Marvels seit zehn Jahren aufgebauten Megafilm „Infinity War“ erwartet, wird enttäuscht. Guardians of the Galaxy Vol. 2 ist ein komplett eigenständiger Film ohne große Bezüge zum nächsten Avengers-Teil.
Die Version in der Pressevorführung enthielt vier(!) Abspann-Szenen, angeblich soll die endgültige Kinofassung sogar eine fünfte beinhalten. Also: Sitzenbleiben!
Guardians of the Galaxy Vol. 2 startet am 27. April in den deutschen Kinos.