Hanna

Serienkritik: Hanna

Wem die Story in der Inhaltsangabe bekannt vorkommt: Schon 2011 kam der Stoff als „Wer ist Hanna?“ mit Saoirse Ronan, Cate Blanchett und Eric Bana in den Hauptrollen in die Kinos. Amazon ließ die Neuauflage „Hanna“ unter der Führung von David Farr, („The Night Manager“), Co-Autor des Films, entwickeln und bringt die achtteilige Version der Geschichte um einen zum Töten ausgebildeten Teenager jetzt in ihr Programm. Erzählt die neue Version eine andere Story oder können sich Kenner des Films die Serie sparen?

Kinder und Jugendliche, die nicht sind, was sie zu sein scheinen, sind ein beliebtes Horror- und Thriller-Motiv. Meist bleiben sie aber als unheimliches Element im Dunkeln und die Story wird aus der Warte andere Figuren erzählt. Hier geht Hanna einen anderen Weg, denn der Zuschauer ist von Beginn an an Hannas Seite und erlebt das Geschehen aus ihrer Perspektive mit. Und so wird aus  dem bösen Agenten-Thriller auch noch eine Coming of Age-Geschichte. Funktioniert das?

Hanna
Einst stahl Agent Erik Heller ein Baby aus der Forschungsstation der CIA, bevor sie eine Waffe daraus machen konnten.

Hanna: Die Handlung

Ein großer, muskulöser Mann schleicht sich in eine offenbar geheime, streng bewachte Forschungsstation in Rumänien ein und holt dort ein Neugeborenes heraus. Doch er wird entdeckt. Nur mit Mühe kann er entkommen und wird von einer Frau mit einem Auto aufgesammelt. Doch die Flucht dauert nur einige Stunden, dann wird das Paar aufgescheucht und muss erneut fliehen. Schließlich zerstört ein Hubschrauber per MG den Wagen. Während der Mann mit dem Baby entkommen kann, wird die Frau tödlich getroffen und verbrennt im Auto.

15 Jahre später lebt der Mann von damals, EX-CIA-Agent Erik Heller (Joel Kinnamon, „Altered Carbon“), mit seiner Tochter Hanna (Esme Creed-Miles) tief in den Wäldern Polens und hat das Mädchen zur perfekten Kämpferin erzogen. Doch eines Tages begegnet Hanna einem jungen Waldarbeiter, mit dem sie sich anfreundet. Als sie entdeckt werden, müssen Erik und Hanna fliehen. Denn die Leute, die vor 15 Jahren die Station leiteten, suchen noch immer nach dem Kind. Allen voran Eriks ehemalige Chefin Marissa Wiegler (Mireille Enos, „World War Z“) …

Hanna: Starke Darsteller

Die Spielfilm-Version ist nicht nur mit Stars gespickt, sondern auch sehr spannend. Hier kann die neue Serie von Amazon aber durchaus mithalten. Gerade die ersten drei Folgen, die sich inhaltlich kaum vom ersten Drittel des Films unterscheiden, erzählen die Story gekonnt und aufregend, was auch an den guten Schauspielern liegt. Kinnamon ist als stoischer Agent mit Herz vor allem durch seine körperliche Präsenz überzeugend und Mireille Enos spielt die eiskalte Marissa ähnlich gut wie vor ihr Cate Blanchett. Zum Star wird hier aber eine andere.

Denn die 19-jährige Esma Creed-Miles tritt in der Serie mühelos in die sehr großen Fußstapfen einer Saoirse Ronan und spielt die beiden Seiten von Hanna sehr überzeugend. Den tödlichen Killer verkörpert sie ebenso gut wie das verletzliche Kind, das sich in der Welt überhaupt nicht auskennt und erst mühsam zurechtfinden muss. Wenn sich Hanna in der zweiten Folge mit ihrer neuen Freundin Sophie ins spanische Nachtleben stürzt und das Leben förmlich aufsaugt, sind das starke Momente der Serie, die ihre Wirkung entfalten.

Hanna
Als Erik und Tochter Hanna 15 Jahre später erneut fliehen müssen und getrennt werden, lernt Hanna das reale Leben erstmals kennen.

Hanna: Viel Spannung, wenig Neues

Dennoch: Wer den Kinofilm kennt, sollt sich das Ansehen der Serie zweimal überlegen. Trotz einiger neuen Wendungen, vor allen in der zweiten Hälfte der Story, bleibt Hanna im Kern genau die Geschichte, die dann schon bekannt ist. Viel Neues ist David Farr hier nicht eingefallen. Das ist einerseits verzeihlich, weil das Original wirklich gut funktioniert und Agenten-Thriller gekonnt mit dem Comig of Age-Aspekt kreuzt, andererseits aber eben für Kenner des Films auch deutlich langweiliger als für Neulinge. 

Dazu zeigt Creed-Mils in den Action-Szenen ihre einzige Schwäche. Obwohl gut durchtrainiert und glaubhaft in Form, ist die Schauspielerin im Nahkampf offenkundig unerfahren und die Zeit reicht wohl nicht aus, um sie zur Kämpferin zu trainieren. Obwohl die Szenen dynamisch eingefangen und bestmöglich geschnitten wurden, sieht der Action-Fachmann doch  schnell, dass hier viel getrickst werden musste, um die Illusion der fast unbesiegbaren junge Frau zu erzeugen. Das lässt sich aber wegen der sonst durchgehend hohen Qualität der Serie verschmerzen.

Zumal Farr in der zweiten Hälfte auch ein paar neue Erzählstränge in das bekannte Gewebe integriert. Und Kenner des Films so zumindest bei der Stange hält. Sicherlich um eine mögliche Fortsetzung etwas interessanter zu machen, aber auch, um das Hanna-Universum im Vergleich zum Film ein wenig zu vergrößern. Berliner Zuschauer haben dazu noch den Bonus, viele Drehorte der Serie wiederzuerkennen. Hanna wurde größtenteils an Originalschauplätzen gedreht – vieles davon auch in der Hauptstadt.

Fazit:

Die Serienadaption Hanna nach dem Kinofilm Wer ist Hanna? ist stark gespielt, rasant inszeniert und baut eine durchgehend hohe Spannung auf. Allerdings bietet die achtteilige Serie trotz der deutlich höheren Laufzeit vor allem in der ersten Hälfte kaum Unterschiede zum Film. Und könnte so Kenner der Vorlager ein wenig langweilen. Erst die Folgen fünf bis acht bieten tatsächlich ein paar Neuigkeiten. Auch wenn Showrunner David Farr an den Grundpfeilern der Story nicht rüttelt. Für Action- und Thrillerfans, die das Original nicht kennen, eine klare Empfehlung.

Hanna startet am 29. März 2019 bei Amazon Prime.

Gesehen: Fünf von acht Folgen

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Der der Grund, warum Erik so hart trainiert hat, existiert noch immer: Agentin Marissa ist beiden auf der Spur.