Bodyguard

Serienkritik: Bodyguard

Serienproduktionen der britischen BBC haben oft einen ganz besonderen Stellenwert beim Publikum, nicht erst seit „Sherlock“. Die sechsteilige Serie „Bodyguard“, die jetzt bei Netflix gezeigt wird, erzielte in Großbritannien bei der Erstausstrahlung im August 2018 Traumquoten von mehr als zehn Millionen Zuschauern. Ist der Polit-Thriller mit „Games of Thrones“-Star Richard Madden in der Hauptrolle tatsächlich so gut?

Für knackige Polit-Thriller hatten die Briten schon immer ein Händchen, ob das die Romane von John le Carré sind oder diverse TV-Serien, in denen Verbrechen und Politik eine unselige Verbindung eingingen wie beispielsweise die Original „House of Cards“-Serie aus den 90ern. Aber auch in Standard-Krimis spielen politische oder wirtschaftliche Verwicklungen gern zumindest eine Nebenrolle. Mit Bodyguard geht es aber gleich in die Hochpolitik. Denn nicht weniger als der Premierminister und die Innenministerin spielen eine Rolle.

Bodyguard
Obwohl der Bodyguard und die Innenministerin politisch und dienstlich ein schwieriges Verhältnis haben, kommen sie sich bald näher.

Bodyguard: Die Handlung

Der Kriegsveteran und Personenschützer David Budd (Richard Madden) kann in einem Zug, in dem er mit seinen Kindern sitzt, einen Bombenanschlag verhindern. Als Anerkennung für diese Leistung versetzt ihn seine Chefin Craddock (Pippa Haywood) als persönlichen Bodyguard zu Innenministerin Julia Montague (Keeley Hawes). Obwohl die beiden politisch unterschiedliche Ansichten haben, entwickelt sich bald gegenseitiger Respekt. Das gibt auch David etwas Halt, der durch seine Kriegstraumata schon seine Ehe mit Vicky (Sophie Rundle) in den Sand setzte.

Dass Julia tatsächlich seinen Schutz braucht, muss David dann am eigenen Leibe erfahren. Nur mit Glück überleben beide ein Attentat durch einen Scharfschützen. Dieses Erlebnis bringt David und Julia schließlich so nahe zusammen, dass sie eine heimliche Affäre beginnen. Umso schwerer ist es für den Bodyguard, als hohe Beamte bei Polizei und Geheimdienst ihn dazu anhalten, die Innenministerin auszuspionieren, nachdem sie ein umstrittenes Gesetz zur Überwachung der Bevölkerung auf den Weg bringt …

Bodyguard: Der Blick von außen

Die Verstrickung einer eigentlich eher kleinen Schraube in der Maschinerie ins Spiel der Mächtigen, ist ein häufig genutztes Thema von Polit-Thrillern. Denn mit dem Helden oder Heldin aus dem Volk können die Autoren sich dem Machtapparat wie einem Fremdkörper von außen nähern und die für den Plot meist nötige Undurchschaubarkeit besonders gut zeigen. Das macht auch Bodyguard nicht anders und verlässt nur selten den Blickwinkel des Helden David. David ist zwar ein Interner, aber als Personenschützer so weit unten in der Befehlskette, dass er viele Abläufe nicht kennt.

Anders als bei den meisten Produktionen ist David hier aber kein strahlender Held. Seine Ehe ist kaputt, seinen Job nimmt er nur in Teilen ernst und sein Kriegs-Trauma verheimlicht er aus Angst vor Suspendierung. Dazu kommt, dass er politisch nicht mit den Zielen der Ministerin einverstanden ist, die er schützen soll. Und so stellt Jed Mercario, der Bodyguard entwickelte und komplett schrieb, David immer wieder als möglichen Verdächtigen dar, der durchaus ein Motiv für die Vorkommnisse in der Serie hätte.

Bodyguard
Weil David auch in vielen eigentlich vertraulichen Momenten dabei ist, bekommt er bald mehr mit, als ihm lieb ist.

Bodyguard: Fast perfektes Verwirrspiel

Mercario gelingt es dadurch vor allem, das Gesehen immer wieder in Zweifel zu ziehen. War das tatsächlich so, wie X oder Y das erzählen? Habe ich als Zuschauer das auch so gesehen? Auf welcher Seite steht dieser Charakter wirklich? Bald beginnt man, die Sicherheiten, die man zu Beginn der Serie noch aufbaut, wieder zu verlieren. Und sich ganz ernsthaft mit Fragen zu beschäftigen, die zum Start noch völlig verrückt schienen. Das ist das große Plus von Bodyguard, das die Serie von vielen anderen Thrillern unterscheidet.

Schon die ersten 20 Minuten, in denen David einen Bombenanschlag verhindert (aber tut er das wirklich?), sind megaspannend. Und mit kleinen Pausen, die sich der Sechsteiler immer wieder nimmt, um auch ruhigere Teile der Handlung zu erzählen, bleibt die Spannung auf gutem Niveau bis zum spektakulären Ende. Lediglich ein paar der wichtigen Figuren führt die Story zum Teil etwas spät ein, um den Zuschauer möglichst lange auf falsche Fährten zu locken. Das ist ein kleiner Kritikpunkt, den erfahrene Thrillerfans zurecht anmerken könnten.

Richard Madden spielt trotz Babyface die Rolle des kühlen Kriegsveteranen glaubhaft. Und auch der Rest des Casts ist sehr gut besetzt (unter anderem mit Paul Ready aus „The Terror“). Auch wenn die Inszenierung immer auf TV-Niveau bleibt und gar nicht erst versucht, Kino-Atmosphäre zu erschaffen, ist Bodyguard ein überdurchschnittlich guter Polit-Thriller mit exzellent geschriebenen Figuren, einer plausiblen Handlung und einem Ende, das nochmals mit einem unerwarteten Twist aufwartet, von dem man gern noch mehr gesehen hätte.

Fazit:

Die Briten können gutes Fernsehen, das haben sie oft bewiesen. Und da bildet auch Bodyguard keine Ausnahme. Als gediegener Polit-Thriller mit einigen gut gefilmten Action-Momenten und sehr viel Gespür für Spannungsaufbau, dürfte er bei Netflix vor allem die deutschen Krimifans ansprechen. Statt diese BBC-Produktion in zwei Jahren seltsam auf passendes Format geschnitten am Sonntagabend im ZDF zu sehen, gibt es den Sechsteiler nun schon zwei Monate nach Erstveröffentlichung komplett beim Video-Streaminganbieter.

Bodyguard läuft ab dem 24. Oktober 2018 bei Netflix.

Bodyguard
Dass Davids Chefin ihn bittet, Gespräche der Innenministerin aufzuzeichnen, bringt den Bodyguard dann aus mehreren Gründen in ein moralisches Dilemma.