American Gods

Serienkritik: American Gods

Als Häftling Shadow Moon endlich aus dem Knast kommt, ist seine Frau tot und sein Leben in Trümmern. Doch als er den mysteriösen Mr. Wednesday kennen lernt, merkt er bald, dass alles noch viel schlimmer werden kann. Die neue Fantasy-Serie „American Gods“ von US-Kabelsender STARZ startet am 1. Mai in Deutschland bei Amazon Prime.

Amazon Prime tut sich in letzter Zeit mit etwas abseitigen Serien hervor, die die Mediengigant nach Deutschland holt. So durfte das Publikum bereits das reichlich schräge „Preacher“ auf dem Videoportal genießen und nun haben sich die Verantwortlichen für den deutschen Markt auch American Gods geangelt. Die hat zwar inhaltlich nur wenig Ähnlichkeit zu Preacher, ist aber mindestens so schräg wie die Abenteuer von Jesse Custer. Das ist Autor Neil Gaiman zu verdanken, der vor einigen Jahren den brillanten Roman als Vorlage veröffentlichte.

American Gods: Die Handlung

Nur Stunden, bevor Shadow Moon (Ricky Whittle) aus dem Knast entlassen wird, kommt seine Frau (Emily Browning) bei einem Autounfall ums Leben – und damit hat Shadow seinen einzigen Anker außerhalb der Gefängniswände verloren. Daher ist er zunächst auch nicht am Jobangebot des seltsamen Mr. Wednesday (Ian McShane) nicht sonderlich interessiert. Doch schließlich schafft es Wednesday, Shadow anzuheuern, um ihn auf einer Reise zu begleiten, bei der Shadow einige denkwürdige Gestalten kennen lernt. Zum Beispiel den riesigen Mad Sweeney, der sich als Leprechaun vorstellt. Oder den grimmigen Czernobog (Peter Stormare), der mit Shadow um dessen Leben spielen möchte. Aber es treten auch Gestalten wie der Technical Boy oder Media (Gillian Anderson) in sein Leben, die ihn überreden wollen, die Seiten zu wechseln. Dabei weiß Shadow noch nicht einmal, dass er auf einer Seite steht …

Untypische Fantasy

Um zu erklären, worum es sich hier eigentlich handelt, lassen sich einige Spoiler nicht vermeiden. Wer also gar nichts über den Inhalt der neuen Serie wissen möchte, sollte jetzt aufhören zu lesen.

Die Wesen, denen Shadow an der Seite seines neuen Freundes begegnet, sind Götter. So verbirgt sich hinter Wednesday der alte nordische Göttervater Odin. Amerika stellt einen Schmelztiegel verschiedenster Kulturen und Glaubensrichtungen dar, und somit leben dort viele verschiedene Gottheiten aus aller Welt. Wie der afrikanische Spinnengott Ananzi (Orlando Jones), der als Mr. Nancy auftritt, oder der slawische Czernobog, der seinen namen sogar behalten hat. Sie alle kämpfen um ihre Existenz, denn die Menschen beginnen sie zu vergessen. Und ohne den Glauben verlieren die Götter ihre Macht und schließlich ihr Leben. So will Wednesday Getreue um sich sammeln, um die neuen Götter zu stürzen, den fiesen Technical Boy oder die Göttin Media.

Gaiman gelingt es in seinem Roman, diesen Plot zu einer großartigen Reflexion über Glauben an sich und die Wandlung der Werte in einer sich immer schneller verändernden Zeit zu machen. Und mit Bryan Fuller, der bereits so unterschiedliche Serien wie „Heroes“, „Pushing Daisies“ und „Hannibal“ auf den Weg brachte, fand Gaiman einen kongenialen Partner für eine Serienumsetzung des Stoffes. American Gods ist sowohl in Sachen Brutalität wie in Sachen Sex sehr explizit, wie man es von STARZ-Serien wie „Spartacus“ gewohnt ist. Sie hat aber weit mehr Substanz als das optisch üppige, aber letztlich wenig anspruchsvolle Sandalen-Drama.

Tolle Optik

Die Serie sieht oft aus wie ein Traum, manchmal ist es sogar einer, der dem Publikum vorgeführt wird. Das passt nicht nur zu Gaimans wohl noch immer größten Erfolg, der preisgekrönten Comicsaga „Sandman“ (aus dem wiederum „Lucifer“ stammt), es ermöglicht Fuller auch, seine Vorliebe für außergewöhnliche Bilder auszuleben. Wie schon in Hannibal schafft er mithilfe von Kamera, Setdesign und Licht eine Atmosphäre, die oft so überirdisch wirkt wie seine Protagonisten. So taucht er die lustvolle Göttin Bilquis in sündiges Rot, den Technical Boy in klinisch sauberes Weiß – und erzeugt immer Atmosphäre, die seine Handlung unterstreicht. Und auch die zahlreichen Anspielungen in Namen und Szenen sind ein Fest für Kenner der verschiedenen Mythologien. Ob das zwei Raben sind, eine Goldmünze oder ein großer Hammer – schon das Suchen nach Spuren der göttlichen Identitäten macht einfach Spaß.

American Gods
Göttin Bilquis will Sex – und das hat für ihre jeweiligen Partner durchaus einschneidende Konsequenzen.

Kein Ende

Neil Gaiman selbst gab in einem Interview kürzlich bekannt, dass die erste Staffel, die aus acht Folgen besteht, nur etwa ein Drittel der Romanhandlung erzählt. Zwei weitere Staffeln seien also noch problemlos möglich. Darüber hinaus arbeitet der Autor angeblich bereits seit 2011 an einer Fortsetzung, die ebenfalls weiteren Stoff liefern könnte. Allerdings ist angesichts des schrägen Stoffes, der auch noch anspruchsvoll umgesetzt und erzählt wurde, ein Hit keineswegs sicher. Im eher Krimi-affinen Deutschland dürfte American Gods bestenfalls eine Nische besetzen, und auch in den USA waren Fuller-Serien zwar stets Kritikerlieblinge, aber selten auch große Hits. Dazu kommt, dass die Serie mit eher traditionellen Fantasy-Plots wie „Game of Thrones“ wenig zu tun hat und sich in weitaus abgehobeneren Sphären bewegt. Gerüchten zufolge soll STARZ zwar kurz davor stehen, eine zweite Staffel zu bestellen, aber noch ist das nicht bestätigt. 

Fazit:

Extrem sehenswerte, aber auch sehr schräge Serie, die wohl kaum ein Massenmarkt-Publikum erreichen dürfte. Tolle Schauspieler, exzellente Optik und eine anspruchsvolle Story über den Glauben der Menschen über die Jahrtausende verbinden sich hier zu harter Kost, deren Dialoge und Bilder sich TV-Konventionen entziehen. Wer Neil Gaiman bereits kennt oder sich für untypische Fantasy begeistern kann, bekommt aber nicht weniger als eine Perle der Serienkultur zu sehen.

American Gods startet am 1. Mai auf Amazon Prime, jede Woche gibt es eine neue Folge.

Die Kritik zu Staffel 2 finden Sie hier.

American Gods
Der verschlagene Mr. Wednesday verfolgt mit Shadow seine ganz eigenen Pläne.