Serienkritik: Altered Carbon Staffel 2

Mehr als zwei Jahre mussten die Fans warten, bis „Altered Carbon Staffel 2“ endlich bei Netflix an den Start geht. Was auch daran liegt, dass die Verantwortlichen beim Streaming-Dienst lange zögerten, bis sie weitere Folgen in Auftrag gaben. Angeblich war Altered Carbon eine der teuersten Netflix-Produktionen bisher, aber keine der beliebtesten. Nun ist die Staffel aber da, mit neuer Story, neuem Star und neuem Show-Runner. Ist sie dennoch genauso blutig, sexy und düster wie der Vorgänger?

Die Kritik zu Altered Carbon Staffel 1 finden Sie hier.

Mit „Das Unsterblichkeitsprogramm“, wie das Buch auf deutsch hieß, schuf der britische Autor Richard K. Morgan einen der besten Sci-Fi-Romane des neuen Jahrtausends. Eine Hardboiled-Detektiv-Story in einer gnadenlosen Welt, in der der Tod keine große Rolle mehr spielt – das fügte Morgan traumhaft sicher zu einem grandiosen Lese-Erlebnis zusammen. Kein Wunder also, dass Netflix dazu eine Serie wollte. Die war zwar inhaltlich nicht ganz nah an der Vorlage, den dreckigen, harten Ton des Buches traf sie aber gut. Schafft das auch Altered Carbon Staffel 2?

Altered Carbon Staffel 2
Kopfgeldjägerin Trepp findet Kovacs und bringt ihn zurück auf seine Heimatwelt, die er eigentlich nie mehr betreten wollte.

Altered Carbon Staffel 2: Die Handlung

Etwa 30 Jahre nach den Ereignissen aus Staffel 1 wird Takeshi Kovacs gesucht, und zwar von der Kopfgeldjägerin Trepp (Simone Missick, „Luke Cage“). In einem neuen Sleeve (Anthony Mackie) erwacht der Elitesoldat auf seinem Heimatplaneten Harlans Welt, wo sein Kunde Schutz braucht. Doch Kovacs kommt zu spät. Als er aus dem Resleeve-Tank herauskommt, ist der Auftraggeber bereits tot. Und obwohl es sich um einen Meth handelt, also eine sehr alten und reichen Menschen, wurde er endgültig umgebracht, alle Daten seines Bewusstseins vernichtet.

Schon bald kommt Kovacs mithilfe alter Kontakte zur Yakuza dem Killer auf die Spur – und wird davon völlig aus der Bahn geworfen. Denn die Mörderin sieht aus wie seine verflossene und seit Jahrhunderten tote Liebe Quellcrist Falconer (Renee Elisa Goldsberry). Hat jemand aus alter DNA die ehemalige Rebellin gegen das System neu erschaffen? Oder hat seine Geliebte all die Jahrhunderte irgendwie überlebt und macht nun Jagd auf die Gründer der Kolonie auf Harlans Welt? Gouverneurin Danica Harlan (Lela Loren) interessiert das ebenso …

Altered Carbon Staffel 2: Keine Vorlage und kaum Sex

Hat auch die zweite Staffel eine literarische Vorlage? Schließlich hat Morgan insgesamt drei Romane über Takeshi Kovacs geschrieben. Die Antwort ist: eigentlich nicht. Zwar entnimmt Altered Carbon Staffel 2 einzelne Motive aus Morgans drittem Band „Heiliger Zorn“, aber die eigentlich Story des Buches spielt in der Serie kaum eine Rolle. Das war aber aufgrund des für eine Verfilmung nur bedingt geeigneten Inhalts auch keine große Überraschung. Überraschender ist da schon eher, dass sich Staffel 2 aufgrund des neuen Showrunners deutlich vom Vorgänger unterscheidet.

Zwar ist Altered Carbon Staffel 2 immer noch blutig, ganz so derbe wie vorher geht es aber nicht mehr zu. Und bei nackter Haut scheint Showrunnerin Alison Schapker Instagram als Ziel gehabt zu haben, so peinlich genau achtet sie bei den ohnehin sehr wenigen Momenten mit Sex-Szenen darauf, dass bloß keine Nippel zu sehen sind – um dann eine unnötige Ausnahme zu machen. Optisch ist Staffel 2 also eine ganze Ecke zahmer ausgefallen als die allerdings auch sehr rabiate erste. Das nimmt  der Serie allerdings auch einiges von ihrem Reiz, denn die Härte als Stilmittel hatte durchaus ihren Sinn.

Altered Carbon Staffel 2
Ist Kovacs alte Liebe Quellcrist tatsächlich noch am Leben? Oder hat sich nur jemand ihren Körper neu erschaffen?

Altered Carbon Staffel 2: Nicht ganz so stark wie Staffel 1

Auch das Budget scheint für die zweite Staffel nicht mehr so hoch gewesen zu sein, denn mit den Schauwerten der ersten Folgen können sich die neuen Episoden nicht messen. Hier spielt viel in Räumen und nur sehr selten bekommt der Zuschauer einen Eindruck davon, wie Harlans Welt überhaupt aussieht. Und die außerirdischen Artefakte, die in der Story eine Rolle spielen, werden fast gar nicht gezeigt. Zwar ist die Serie dennoch weit davon entfernt, billig zu wirken, ganz so stark wie vor zwei Jahren ist die Optik aber nicht mehr.

Bei den Schauspielern gibt es hingegen wenig zu meckern. Anthony Mackie spielt den abgebrühten Elite-Kämpfer ähnlich gut wie Joel Kinnaman und Simone Missick gibt eine tolle Kopfgeldjägerin ab. Der deutsche Schauspieler Torben Liebrecht darf als Bösewicht zeigen, was er kann. Dass Staffel 2 dennoch schwächer ausfällt, liegt an den vielen Kompromissen bei Story und Erzählweise, die den beinharten Kovacs zu sehr weichspült, um ihn wie zuvor als gnadenlosen Antihelden darzustellen. Der neue Kovacs ist einfach nichts Besonderes mehr.

Dazu kommt eine Story, die zwar für Fans der Bücher gerade noch erkennbar ist, den Flair des Film Noir, den Morgan in seinen Romanen unterbrachte, aber fast vollständig verliert. Auch hier hatte Staffel 1 eindeutig die Nase vorn. Für Sci-Fi-Fans bietet Altered Carbon Staffel 2 aber immer noch genug, um sich auf die acht Folgen einzulassen. Denn auch wenn manches schwächer ausfällt, so ist das Endergebnis noch immer eine böse Abrechnung mit dem vermeintlichen Segen der Technik und dem Spiel mit Mächten, die man nicht versteht.

Fazit:

Obwohl sich die neue Showrunnerin Alison Schapker sichtbar Mühe gegeben hat, den Fans der ersten Staffel zu geben, was sie erwarten, hat das nur bedingt funktioniert. Zwar ist der schräge A.I.-Charakter Poe wieder dabei, aber den Härtegrad und die explizite Darstellung von Sex und Tod hält Altered Carbon Staffel 2 nicht. Und auch die Story um Kovacs Heimatwelt und die Ereignisse dort können nicht mehr ganz so zu fesseln, wie das Richard Morgans erste (und beste) Story-Umsetzung noch vermochte. Eine dritte Staffel scheint da wenig wahrscheinlich.

Altered Carbon Staffel 2 startet am 27. Februar 2020 bei Netflix.

Gesehen: Acht von acht Folgen.

Altered Carbon Staffel 2
Und warum tut Corps-Colonel Carrera so, als würde er Kovacs schon seit Jahrhunderten kennen?