The Hate U Give

Filmkritik: The Hate U Give

Viele kennen Amandla Stenberg als „Rue“ aus dem ersten Teil der „Tribute von Panem“. Inzwischen hat sich die 20-jährige Tochter einer Afro-Amerikanerin und eines Dänen aber in die obere Liga der jungen Hollywood-Stars gespielt. Mit „The Darkest Minds“ gab es einen Rückschlag, doch ihre Hauptrolle in „The Hate U Give“ hat sie schon als Laudatorin zu den Oscars gebracht. Worum geht es in der Literaturverfilmung des gleichnamigen Romans?

Früher waren Rassismus-Dramen in Hollywood eine Besonderheit – auch weil sie so selten waren. Und so konnte ein „In der Hitze der Nacht“ oder „Mississippi Burning“ schon deshalb nachhaltig beeindrucken, weil es in ihrer Zeit kaum kassenträchtige Filme gab, die sich mit einem der schon am längsten andauernden Problem der USA beschäftigten – dem Rassismus. Das hat sich verändert. Mittlerweile kommen mehrmals im Jahr Filme ins Kino, die Rassismus auf ganz unterschiedliche Arten thematisieren. The Hate U Give ist einer davon.

The Hate U Give
In der teuren Privatschule ist Starr ein ganz normales Mädchen mit weißen Freunden.

The Hate U Give: Die Handlung

Die 16-jährige Starr (Amandla Stenberg) lebt in zwei Welten. In der teuren Privatschule, die sie besucht, ist sie eine beliebte Schülerin. Aber eine ihrer Freundinnen von Hause einzuladen, das wagt sie nicht. Denn ihre Familie lebt in einem ärmlichen, schwarzen Viertel, in dem Starr ebenfalls Freunde und ihre Wurzeln hat. Und sie hat bereits früh verstanden, dass sich diese beiden Welten nicht sonderlich gut miteinander vertragen. Dennoch gelingt es ihr recht gut, beides unter einen Hut zu bringen. Bis Khalil (Algee Smith) auftaucht.

Starrs alter Freund aus Kindertagen lädt sie zu einer Party ein. Als es dort zu einer Schießerei kommt, will er sie mit seinem Wagen nach Hause bringen, wird aber von einem jungen weißen Cop angehalten. Als sich Khalil ins Auto beugt, um seine Papiere herauszuholen, wird er erschossen. Starr kommt zwar mit dem Schrecken davon, begreift aber, dass ein Leben in beiden Welten eigentlich nicht funktionieren kann. Und so muss sich die 16-jährige Augenzeugin des Vorfalls überlegen, was sie jetzt tun will …

The Hate U Give: Die Wut der Jugend

Rassismus ist in den USA noch immer ein großes Thema und wird es in leicht anderer Konstellation auch immer mehr in Europa. Dennoch gibt es Filme, die sich nicht darauf beschränken wollen, etwas über Rassismus zu sagen. Auch The Hate U Give ist so ein Film. Denn er zeichnet durch Starrs Augen nicht nur ein ungewöhnlich komplexes Bild der US-Volksseele, sondern beschäftigt sich auch mit anderen Themen. Wie der Schwierigkeit herauszufinden, wer man sein will. Und ob Freundschaft oder Haltung im Leben wichtiger ist.

Zwar sind der Tod von Khalil und die sich daraus ergebende Handlung das Rückgrat des Films, aber wirklich sehenswert machen ihn die Szenen, in denen es auch um andere Dinge geht. So hat Starrs Figur allein schon deshalb starke Momente, weil sie zwei Leben führen muss, die sie auch stets streng voneinander getrennt hält. Die ständige Wut, die Starr darüber empfindet, dass es überhaupt nötig ist, verleiht The Hate U Give die dringend benötigten subtileren Zwischentöne, denn manche Momente geraten Regisseur George Tillman Jr. zu platt.

The Hate U Give
Doch sie lebt in einem vorwiegend schwarzen Armenviertel. Und führt dort ein anderes Leben. Als sie auf einer Party ihren Sandkastenfreund Khalil trifft, weiß sie noch nicht, dass der Junge eine Stunde später tot sein wird.

The Hate U Give: Nicht frei von Klischees

Denn bei alles Komplexität der Handlung, die neben Starr auch die Sicht schwarzer Bürgerrechtsbewegungen, schwarzer Cops und schwarzer Gangs berücksichtigt, ist nicht jede Figur frei von Klischees. So darf Avengers-Star Anthony Mackie als Gangsterboss King nur das Klischee eines Schurken spielen. Und auch die Tatsache, dass alle Aktionen der schwarzen Gemeinde von der Kirche ausgehen oder mit ihr zu tun haben, ist bei allem vermutlich realen Hintergrund doch stark in einem Schablonen-Denken verhaftet, vom dem der Film nicht frei ist.

Umso besser, dass es neben Starr auch noch weitere starke Charaktere gibt, die dazu ein starkes Gegengewicht schaffen. So ist Russell Hornsby als Starrs Vater, der als Ex-Knacki ein besseres Leben für sein Kinder und sich trotzdem nichts gefallen lassen will, ein ausgezeichneter moralischer Kompass ohne Zeigefinger. Und auch Starrs Onkel Carlos (Common),ein Cop mit einer ganz eigenen Sicht auf den Vorfall, hebt sich wohltuend von den Klischees ab und zeigt ein differenziertes Bild eines zwischen Rassismus und Kollegen-Loyalität zerissenen Menschen.

Diese Highlights machen The Hate U Give neben der packenden, glaubhaften Handlung zu einem sehenswerten Kinoerlebnis. Denn der Film macht durch seine Hauptfigur deutlich, dass es keine Eskalation der Gewalt wie Khalils Tod braucht, um den alltäglichen Rassismus zu zeigen. Starrs Weigerung, ihren weißen Freund Chris mit zu sich nach Hause zu nehmen, ist eine ebenso starke Anklage wie der verblutende Teenager mit drei Kugeln im Rücken. Tillman verbindet beides – auch dank einer sehr starken Hauptdarstellerin.

Fazit:

Ein perfekter Film ist The Hate U Give nicht geworden. Aber er traut sich etwas, das der Zuschauer nicht oft zu sehen bekommt. Der Film bemüht sich um Komplexität und Ausgewogenheit, obwohl er die emotionale Wucht der Geschichte nie unterdrückt. So verschweigt er weder die Schießereien im Schwarzenviertel, noch die Instrumentalisierung des toten Teenagers durch Organisationen, denen das in die Karten spielt. Und macht dennoch zu Recht wütend. Das muss ein Film, der dazu klar auf eine jugendliche Zielgruppe abzielt, erst einmal schaffen.

The Hate U Give startet am 28. Februar 2019 in den deutschen Kinos.

The Hate U Give
Nun muss Starr sich als einzige Augenzeugin entscheiden: Schweigen, um ihre Existenz auf der weißen Schule nicht zu verlieren – oder in Khalils Namen die Wahrheit herausschreien.