The Guilty

Filmkritik: The Guilty

Es ist Dänemarks offizielle Einreichung zum Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Der Thriller „The Guilty“ kommt dabei komplett ohne Action aus. Die gesamte sichtbare Handlung spielt in einem kleinen Polizeirevier und die Story bekommt der Zuschauer lediglich auf die Ohren. Kann so ein Film wirklich spannend sein?

Dass ein Film keine große räumliche Veränderung braucht, um spannend zu sein, dafür gibt es in der Historie des Thrillers einige wenige Beispiele. So konnte Joel Schumacher mit „Nicht auflegen!“ den armen Colin Farrell in einer Telefonzelle bis an die Grenzen der Belastbarkeit bringen. Und in „Buried“ saß Ryan Reynolds sogar unter der Erde in einem Sarg fest. Aber sonderlich häufig griffen Filmemacher bisher nicht auf eine derartige Verengung des Handlungsorts zurück. Wie schlägt sich The Guilty?

The Guilty
Als Holm den Anruf der jungen Iben erhält, durchzuckt es ihn wie ein Schlag: Hier ist ein Verbrechen im Gang.

The Guilty: Die Handlung

Der Cop Asger Holm (Jakob Cedergren) muss aus zu Beginn unklaren Gründen Innendienst schieben und übernimmt eine Schicht am Notruftelefon. Meist speist er die Anrufer sachlich und kühl ab und sehnt sich offenbar nach dem Feierabend. Das ändert sich, als eine junge Frau anruft und so tut, als telefoniere sie mit ihrer Tochter. Holm versteht sofort, dass er vermutlich eine Entführung belauscht und stellt kluge Fragen, um dem Opfer möglichst schnell helfen zu können. Doch der Täter bemerkt bald, dass etwas nicht stimmt und beendet das Gespräch.

Nun sind Holms Instinkte geweckt und er versucht alles, um der jungen Frau zu helfen. Da er Wagenfarbe und ungefähren Aufenthalt kennt, schickt er eine Streife auf den Autobahn-Abschnitt und recherchiert fieberhaft weiter. Immer mehr Informationen kann der erfahrene Cop herausfinden und so langsam ein Bild dessen zeichnen, was sich vor der Entführung wohl zugetragen hat. Und mit jeder Minute, die verrinnt, greift Holm zu rabiateren Mitteln, um das Leben der Frau zu retten. Längst hat er sich von den geltenden Regeln für so einen Fall verabschiedet …

The Guilty: Vom Thriller zum Drama

Der junge dänische Regisseur Gustav Möller schrieb auch am Drehbuch zu The Guilty mit. Und legt mit diesem Thriller, der sich langsam, aber unaufhaltsam zu einem dichten Drama mausert, einen großartigen Film vor. Denn während Holm immer verzweifelter versucht, die junge Frau namens Iben aus ihrer misslichen Lage zu retten, erzählt der Film in kleinen Schritten auch die Geschichte Holms, die ihn in die Situation gebracht hat, in der er sich jetzt befindet. Und macht langsam klar, warum der Cop zu viel riskiert.

Der wird großartig gespielt vom dänischen Schauspieler Jakob Cedergren. Denn der muss die gesamte sichtbare Emotion der Geschichte in seiner Mimik und Gestik transportieren – und zieht den Zuschauer mit seinem Spiel tief in die verstörende und düstere Geschichte hinein. Scheinbar mühelos bringt der erfahrene Schauspieler den Schrecken und das Grauen zum Ausdruck, die ihm im Lauf der Nacht begegnen. Und er lässt das Publikum Schicht um Schicht sehen, warum der Film The Guilty heißt.

The Guilty
Der Kampf um Ibens Leben führt Holm bis an eigene Grenzen.

The Guilty: Beklemmendes Kammerspiel

Dabei muss Möller gar nicht tief in die Thriller-Trickkiste greifen oder gar absurde Twists servieren, um spannend zu sein. Ein ganz normaler Fall, der sich so oder ähnlich durchaus zutragen könnte, reicht ihm, um daraus eine packende Geschichte um Schuld und Sühne zu machen. Und bringt den Zuschauer sogar dazu, um den eigentlich gar nicht sonderlich sympathischen Holm Angst zu haben. Denn Ibens Rettung wird für den Cop immer mehr zur Rettung seiner eigenen Seele.

Kameramann Jasper Spanning holt aus dem sehr übersichtlichen Drehort von zwei Räumen das Maximum heraus, indem er sich weitgehend auf das Gesicht und die Hände von Holm konzentriert und das Publikum so ganz dicht an den Protagonisten heranbringt. Selbst einzelne Schweißtropfen sind hier deutlich zu erkennen. Spanning unterstreicht so das Innenleben Holms deutlich ,ohne jemals langweilig oder nichtssagend zu werden. 

Dass The Guilty tätsächlich in die Endrunde der letzten fünf Filme kommt, die um den Fremdsprachen-Oscar kämpfen, muss angesichts des Thriller-Themas zwar bezweifelt werden. Verdient hätte es das zu Herzen gehende, düstere Drama aber allemal. Und von Gustav Möller wird man sicherlich auch noch hören. Denn er beweist, mit welche geringen Mitteln man einen großartigen Film machen kann, wenn Idee und Drehbuch stimmen.

Fazit:

Es ist sehr schade, dass The Guilty wohl nur in wenigen deutschen Kinos zu sehen sein wird, denn diese feine Mischung aus Thriller und Drama hätte ein größeres Publikum absolut verdient. Jakob Cedergrens wunderbares Schauspiel und ein auf den Punkt gestrafftes, in die Tiefe gehendes Drehbuch machen aus dem Film ein echtes Kino-Highlight 2018. 

The Guilty startet am 18. Oktober in den deutschen Kinos.

The Guilty
Abgeschottet von den Kollegen überschreitet Holm auch Gesetze, um Leben zu retten.