The Dirt

Filmkritik: The Dirt

Als sich die Band „Mötley Crüe“ 1981 gründete, wollte sie die Musikwelt im Sturm erobern – und erfand nebenbei das Sub-Genre des „Hair Metal“. Bekannter wurden die vier Bandmitglieder aber für ihren exzessiven Lebensstil – der auch die Grundlage für „The Dirt“ liefert. Der Film entstand nach der gleichnamigen Autobiographie der Band, die der Journalist Neil Strauss zu Papier brachte. Bietet der Film auch für Nicht-Metal-Fans spannende oder interessante Inhalte?

Sie galten als Rabauken der Szene. Wo sich Nikky Sixx, Tommy Lee, Vince Neil und Mick Mars in den 80ern auch sehen ließen, es endete häufig mit Unmengen an Drogen, Alkohol und Frauen. Der deutsche Untertitel von The Dirt – sie wollten Sex, Drugs and Rock’n’Roll unterstreicht das noch einmal wenig subtil. Als Regisseur verpflichtete Netflix mit Jeff Tremaine den Mann, der auch für die „Jackass“-Film verantwortlich ist – eine gute Idee?

The Dirt
Tommy Lee, Vince Neil, Nikky Sixx und Mick Mars wurden zu Legenden des Glam-Metal – und zum Schrecken aller Hotelbesitzer.

The Dirt: Die Handlung

Im Los Angeles der frühen 80er laufen sich der Ausreißer Nikki Sixx (Douglas Booth) und der überdrehte Tommy Lee (Machine Gun Kelly), ein Junge aus gutem Haus, über den Weg. Beide spielen schon seit einer Weile Hard-Rock und beschließen, gemeinsam eine Band zu gründen. Zuerst stößt der deutlich ältere Mick Mars (Iwan Rheon) dazu, dann holt Lee seinen Highschool-Kumpel Vince Neil (Daniel Webber) als Lead-Sänger dazu. Mötley Crüe ist geboren. Gleich beim ersten Auftritt beginnen die Jungs zu Beginn eine Prügelei – und gewinnen so ihr Publikum.

Schon kurze Zeit später wird eine Plattenfirma auf die Rocker mit dem grellen Outfit und dem moralisch eher lockeren Auftreten aufmerksam. Und damit beginnt ein rasanter Aufstieg an die Spitzer der US-Rock-Szene. Die Band tourt mit Legende Ozzy Osborne, macht aber vor allem durch zahlreiche Skandale auf sich aufmerksam. Komplett zerstörte Hotelzimmer, jede Menge Alkohol und schließlich auch harte Drogen bestimmen bald das leben der vier Musiker. nicht alle kommen gleich gut damit zurecht …

The Dirt: Parodie oder Ernst?

Gleich die erste Szene legt den Ton fest, den The Dirt über weite Teile des Films behalten soll. Denn Regisseur Jeff Tremaine zeigt eine komplett überdrehte Party, bei der die vier Mitglieder der Band alle irgendwo zu sehen sind und ihnen sehr schräger Sachen passieren. Oder sie der Auslöser dieser Dinge sind. Das hat viel Flair von Jackass. Und so kann sich der Zuschauer zu Beginn kaum ein Bild davon machen, ob Tremaine und die Drehbuchautor Tom Kapinos („Lucifer“, „Californication“) und Amanda Adelson das wirklich ernst meinen.

Denn immer wieder zeigt The Dirt Szenen, die an die Ekelgrenze gehen und ist auch in Sachen nackte Haut recht zeigefreudig. So muss der Zuschauer mitansehen, wie Ozzy Osborne anderer Leute Urin aufleckt und Sänger Vince Neil hat in jeder dritten Szene Sex mit einem Groupie – oder der Freundin eines Bandmitglides oder des Managements. Oft wirkt das aber wie die Karikatur eines Films über Musiker und nicht wie eine wahre Geschichte. Angesichts des Zustands der Erzähler sind Zweifel über den Wahrheitsgehalt auch durchaus angebracht.

The Dirt
Gleich lernt Mötley Crüe Ozzy Osborne kennen – in einer denkwürdig ekelhaften Szene.

The Dirt: Wenig Musik, viel Exzess

Ganz ohne Musik und Bandauftritte geht es zwar auch in The Dirt nicht ab, vergleichen mit Filmen wie „Bohemian Rhapsody“ gibt es hier deutlich weniger Songs der Band zu sehen, meist dient sie nur als Hintergrundmusik. Den Fokus legen Tremaine, Kapinos und Adelsen klar auf die wüsten Exzesse der Band. Und die hinterlassen einen recht ambivalenten Eindruck. Denn in der Biographie verschweigen die Musiker auch die dunklen Seite der Karriere nicht. Eine richtige Distanz zu ihrer schlimmsten Zeit scheinen sie aber nicht entwickelt zu haben.

Das mag dem Metal-Fan gefallen, der durchschnittliche Zuschauer dürfte aber zurecht ein wenig überrascht darüber sein, mit welcher Selbstverständlichkeit hier Drogenexzesse aller Art abgefeiert und dabei fast durchgehend lustig inszeniert werden. Was optisch auch durchaus funktioniert, bleibt textlich oft mau. Dass hier tatsächlich der brillante Tom Kapinos an den Dialogen beteiligt gewesen sein soll, mag man kaum glauben. Von einem schlüpfrig-schlauen Californication ist The Dirt weit entfernt, selbst Lucifer hat deutlich stärkere, wenn auch harmlosere Pointen zu bieten.

Der permanente Spaß ist schließlich auch daran schuld, dass die wirklich traurigen Momente des Films, wie der Beinahe-Tod von Sixx durch eine Heroin-Überdosis oder eine persönliche Tragödie im Leben von Neil, kaum emotionale Tiefe entwickeln können und seltsam kalt lassen. Was nicht an den Schauspielern liegt. Allen voran Douglas Booth und Iwan Rheon spielen ihre Rollen stark und glaubhaft. An der für den Inhalt deutlich zu lustig gehaltenen Band-Biographie ändert das aber nichts.

Fazit:

The Dirt ist eine Musiker-Biographie, die vor allem in ihren Schauwerten zu überzeugen weiß. Denn das viel zitierte Credo Sex, Drugs and Rock’n’Roll hat das Quartett Mötley Crüe definitiv ernst genommen – und dabei eine Menge Spaß gehabt. Die dunkleren Seiten der Musiker, die zu vielen Momenten der Geschichte erst geführt haben, bleiben hingegen auf dem Level der Küchenpsychologie hängen und bieten nur wenig echten Einblick in die Seelen der Musiker. So ist der Film zwar durchaus unterhaltsam, entwickelt aber nur sehr selten echte Tiefe. Fans der Band dürften dennoch ihren Spaß haben.

The Dirt läuft ab dem 22. März 2019 bei Netflix.

Eine Übersicht über alle Kritiken zu Netflix-Filmen finden Sie hier.

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