Sierra Burgess

Filmkritik: Sierra Burgess Is A Loser

Bei „Stranger Things“ musste sie als Barb in der ersten Staffel ihr Leben lassen. Vielleicht zur Entschädigung durfte Shannon Purser dafür die Titelrollem in neuen Netflix-Film „Sierra Burgess Is A Loser“ spielen. Im Jahr 2018 ist das bereits die vierte Coming-of-Age-Produktion der Streaming-Plattform. Kann die Geschichte von Sierra, die deutlich an die Tragikomödie „Cyrano de Bergerac“ von Edmond Rostand angelehnt ist, den bislang guten Eindruck des Genres bei Netflix bestätigen?

Die Story vom geistig brillanten aber durch eine große Nase entstellten Poeten und Fechter wurde schon häufiger als Vorlage für Filme genutzt. Wer es genau wissen will, sollte sich die Kritik zu „Das schönste Mädchen der Welt“ ansehen, der ebenfalls auf dem Drama beruht. Nun hat sich auch Drehbuchautorin Lindsey Beer des beliebten Themas angenommen, in ihrer Highschool-Variante aber die Geschlechter getauscht. Funktioniert die Story auch mit einem weiblichen Cyrano?

Sierra Burgess
Eigentlich dreht sich Sierras und Dans letztes Highschool-Jahr um Dinge wie College und Noten.

Sierra Burgess: Die Handlung

Die junge Sierra Burgess (Shannon Purser) hat es nicht leicht. Ihr  Vater (Alan Ruck) ist ein berühmter Schriftsteller, also erwarten die Lehrer auch von ihr brillante Dinge. Da sie seinen Intellekt geerbt hat, gehört sie zu den klügsten Köpfen der Schule. Aber nicht zu den hübschesten. Die stämmige Rothaarige hält sich für hässlich und steckt die Gemeinheiten der Schulschönheit Veronica (Kristina Froseth) mit ihrem ausgebildeten Panzer auch problemlos weg. Bis die fiese Blondine die Bosheiten einmal zu weit treibt.

Als Veronica einem Jungen namens Jamey (Noah Centineo), der sich in einem Cafe anspricht, die Nummer von Sierra als ihre eigene gibt, entsteht zwischen Jamey und Sierra, die er natürlich für die hübsche Veronica hält, ein reges Gespräch über Textnachrichten. Doch als Jamey ein Bild von sich sendet und auf Antwort wartet, sieht Sierra ein, dass sie hier alleine nicht weiterkommt. Wohl oder übel schließt sie einen Pakt mit Veronica. Sierra hilft ihr, gebildeter zu werden, um so bei ihrem Collegeschwarm zu landen – und Veronica bleibt das Gesicht für Sierras Romanze …

Sierra Burgess: Wenig originell …

So schön die Idee mit den vertauschten Geschlechterrollen auch ist, so wenig hat sich Lindsey Beer zusätzlich noch einfallen lassen, um ihre Story zu erzählen. Stattdessen wimmelt der Film nur so von Highschoolfilm-Klischees. Dass Jamey Quarterback ist und Veronica Cheerleaderin, kommt da wenig überraschend. Auch Veronicas Entourage aus zwei Mädchen, die ihr auf Schritt und Tritt folgen, sieht man in jedem zweiten Film mit diesem Thema. Und natürlich hat Sierra einen schwarzen besten Kumpel, mit dem sie nur platonisch befreundet ist.

Das trübt ein wenig den ansonsten gelungenen Eindruck, den der Filmt macht. Denn Beer nimmt ihre Figuren ernst und macht sie nicht auf Kosten von müden Gags lächerlich. Dazu verpasst sie der scheinbar so fiesen Veronica auch eine andere Seite, die die Story deutlich stärker macht. Und präsentiert mit Chrissie Metz („This Is Us“) als Veronicas Mutter eine besonders tragische Gestalt, die für etwas dunklere Momente sorgt – ebenfalls ein Glücksfall für Sierra Burgess. Was der der Geschichte aber an wirklich an Esprit fehlt, holen die Darstellerinnen heraus.

Sierra Burgess
Doch dann fädelt die fiese Veronica einen Flirt zwischen Sierra und dem gut aussehenden Jamey ein.

Sierra Burgess: …mit starken Schauspielerinnen

Denn allein Shannon Purser lohnt das Einschalten. In ihrem sicherlich nicht klassisch schönen Gesicht spiegelt sich so viel Emotion und Witz, dass sie ihr Publikum bereits in den ersten Minuten im Sturm erobert. Schnell ist man bereit, mit Sierra mitzufiebern, wenn es um ihre erste große Liebe geht. Und sieht mit einer Mischung aus Mitleid und Spaß zu, wenn sich die eigentlich so kluge junge Frau in Sachen Liebe komplett zum Affen macht. In den klassischen Cyrano-Szenen, wenn die beiden Mädchen zu einem verschmelzen, um Jamey zu umgarnen, hat der Film seine stärksten Momente.

Das liegt neben Purser und der bereits erwähnten Metz auch am norwegischen Model Kristina Froseth, die ihre durchaus spannende Rolle der nur oberflächlich fiesen Schönheit deutlich besser spielt, als man von jemandem mit so wenig Erfahrung erwarten würde. Gegen dieses starke Trio kommen weder Noah Centineo noch RJ Styler als Kumpel Dan an. Während Dan wenig mehr ist als ein bloßer Stichwortgeber und gar keinen eigenen Charakter entwickelt, gelingt es Centineo nicht, aus seiner männlichen Roxanne eine interessante Figur zu machen.

Dennoch macht es Spaß, sich die insgesamt etwas zu harmlosen Bemühungen um Liebe, Charakter und Aussehen anzusehen. Denn das Tempo ist flott, die starken Frauenrollen gut gespielt und der Soundtrack von Leland und Bram Inscore, der sich verdächtig nach Stranger Things und „Drive“ anhört, geht mächtig ins Ohr. So lässt sich dann die für einen richtig großen Film etwas zu flache Story ganz gut verschmerzen. „Alex Strangelove“, „The Kissing Booth“ und „To All The Boys …“ waren da auch nicht wirklich anders. Wer die mochte, hat auch hier seinen Spaß. Weil die Botschaft stimmt.

Fazit:

Sierra Burgess ist ein unterhaltsamer Film, der noch besser wäre, wenn er allzu ausgelatschten Pfade der Teenie-Romanze stärker verlassen und mehr eigenes Profil entwickelt hätte. Dank Shannon Pursers warmherziger Darstellung, einiger wirklich witziger Momente und einem durchgehend gelungenen Soundtrack bereut zumindest die junge Zielgruppe das Ansehen sicher nicht.

Sierra Burgess Is A Looser läuft ab dem 7. September bei Netflix.

Sierra Burgess
Und Jamey steht bald voll auf die Stimme am Telefon, die er mit Aussehen von Veronica verbindet. Kann Sierra trotzdem glücklich werden?