Outlaw King

Filmkritik: Outlaw King

Als Mel Gibson 1995 seinen „Braveheart“ William Wallace in die Kinos brachte, gab es dort auch einen Nebencharakter: Robert the Bruce, späterer König von Schottland. Ihn hat sich nun „Hell or High Water“-Regisseur David Mackenzie als Helden seines neuen Films „Outlaw King“ ausgesucht, den der gebürtige Schotte für Netflix drehte. Kann der neue Freiheitskampf der Highlander mit Gibsons Oscar-Meisterwerk konkurrieren?

In manchen Dingen ging David Mackenzie kein Risiko. Um die kreative Kontrolle über seinen Film zu haben, schrieb er das Drehbuch gleich selbst. Dazu holte er sich mit Chris Pine den Star aus Hell or High Water ins Projekt. Genug Star-Appeal, um den laut Wikipedia 130 Millionen Dollar teuren Film auch für ein breiteres Publikum interessant zu machen. Konnte Mackenzie mit so viel guten Vorzeichen auch einen ordentlichen Film abliefern?

Outlaw King
Der englische König Edward hält Schottland fest im Griff und denkt nicht daran, das Land wieder freizugeben.

Outlaw King: Die Handlung

Das frühe 14. Jahrhundert in Schottland. Obwohl er eigentlich dagegen ist, unterwirft sich Robert the Bruce (Chris Pine) mit den meisten anderen schottischen Adligen dem englischen König Edward (Stephan Dillane, „Game of Thrones“), um einen lange währenden Krieg zu beenden und dem Volk endlich Frieden zu geben. Zudem hat sein Vater (James Cosmo) für ihn eine Ehe mit einer englischen Adelstochter arrangiert, der Robert notgedrungen zustimmen muss. Doch Elizabeth (Florence Pugh, „Lady Macbeth“) erweist sich als Liebe seines Lebens.

Als Edward etwas später den rebellischen Kriegshelden William Wallace fängt, foltern und hinrichten und Teile des Körpers in ganz Schottland als Warnung aufhängen lässt, kocht die schottische Volksseele erneut über. Und Robert weiß, dass der Krieg unvermeidlich ist. So lässt er sich zum König von Schottland krönen, um das Land und die Adligen hinter sich zu versammeln. Und die Engländer endgültig zu vertreiben. Doch Edward ist ein harter Gegner und so sind die Folgen von Roberts Tat nicht nur für ihn selbst extrem grausam …

Outlaw King: Grandiose Bilder

Trotz Chris Pine – der eigentlich Star des Films ist Kameramann Barry Ackroyd. Denn was der für „The Hurt Locker“ oscarnominierte Brite hier auf den Bildschirm zaubert, hat in jedem Moment Kinoformat. Schon zu Beginn, wenn der Film die Unterwerfung der Schotten in einer langen Plansequenz ohne Schnitte zeigt, beweist Ackroyd sein Können. Und auch später, wenn sich Robert einer nächtlichen Attacke erwehren oder mit Booten über einen See fliehen muss, sorgt Ackroyd für Bilder, die aufgrund ihrer teilweise morbiden Schönheit im Gedächtnis bleiben.

Mackenzie wandelte hier deutlich sichtbar auf Bravehearts Spuren, der Landschaft und Menschen im schottischem Mittelalter großartig in Szene setzte und dafür auch den Oscar für die beste Kamera (John Toll) einheimste. Allerdings sind hier nicht nur die schönen Momente ähnlich, sondern auch die derben. Denn wie Braveheart zeigt auch Outlaw King das Töten von Menschen rabiat und äußerst blutig. Das setzt Ackroyd zwar in spektakulären Schlachtenszenen um, dennoch dürfte die bluttriefende Gewalt garantiert nicht jedermanns Sache sein.

Outlaw King
Weil Krieg unvermeidlich ist, lässt sich Robert zum schottischen König krönen, um das Land zu einen.

Outlaw King: Historisch korrekter, aber …

Der vielleicht größte Unterschied zwischen den beiden Filmen, deren Held im jeweils anderen Film eine Nebenrolle spielt, ist die geschichtliche Genauigkeit. Während sich Gibson in typischer Hollywood-Manier alle Freiheiten nahm, die ihm angemessen schienen, um einen spannenden und emotional packenden Film zu machen, ist Mackenzie weitaus dichter am tatsächlichen, historisch überlieferten Geschehen des schottischen Freiheitskampfes. Doch die Realität ist dramaturgisch leider nicht immer perfekt.

Und so hat Outlaw King auch seine Längen, obwohl er mit 120 Minuten eine ganze Stunde kürzer ist als Mel Gibsons Epos. Wie schon in Hell or High Water inszeniert Mackenzie seine Geschichte auch spröder und leiser als typische Hollywood-Heldensagas und macht aus Robert the Bruce keine Überfigur, sondern einen Kämpfer wider Willen. Und der wirkt stets beherrschter, aber daher auch kühler als Gibsons Version des William Wallace. Das können auch die durchgehend guten schauspielerischen Leistungen nicht ändern.

Denn je länger der Film dauert, desto mehr deutlicher wird, dass manche Handlungsstränge schlicht versanden. Und zum Teil erst am Ende per Texteinblendung abgeschlossen werden. Hier wird deutlich, warum sich Gibson drei Stunden Zeit nahm, um seine Story zu erzählen. Bei Mackenzie wirkt manches ein wenig unvollendet und ist daher nicht so packend, wie es hätte sein können. Einen ansehnlichen Film hat der Schotte dennoch abgeliefert. Dass er im Vergleich mit Braveheart ein wenig verliert, wird wohl niemanden überraschen.

 Fazit:

David Mackenzie liefert mit Outlaw King einen ordentlichen, manchmal richtig guten Film ab, der vor allem optisch mit dem Mel Gibsons Epos des schottischen Freiheitskampfes mithalten kann. Die historische Korrektheit und einige unglückliche Entscheidungen in Drehbuch und Schnitt sorgen aber dafür, dass der Film nur selten den Sog und die Tragik entwickelt, die Gibson mit seinem Braveheart erzeugte. 

Outlaw King läuft ab dem 9. November 2018 bei Netflix.

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