Once upon a time in hollywood

Filmkritik: Once Upon A Time In Hollywood

Mit seinem neunten Film (je nachdem, wie man zählt), ist Regisseur Quentin Tarantino längst in eine Phase eingetreten, in der er nicht mehr wirklich Filme dreht, sondern kulturelle Ereignisse. Der 56-jährige Superstar des Indie-Films verfilmt seine eigenen Drehbücher wie er will und lässt sich von Studios und Marketing nur wenig hineinreden. Deshalb sind seine Film auch so anders als andere. Gilt das auch für „Once Upon A Time in Hollywood“ – sein neuestes Werk?

Für die einen ist er nur ein Kinofan mit etwas abseitigem Geschmack, der die Filme seiner Jugend in ganz nette, aber nicht wirklich besondere Werke ummünzt. Für die anderen ist Quentin Tarantino einer der begnadetsten Regisseure unserer Zeit, der mit seinen ungewöhnlichen, vor Ideen sprühenden Drehbüchern und extrem cooler Inszenierung Filme macht, die es vorher so noch nie gab. Auch seine neuestes Werk Once Upon A Time in Hollywood dürfte diese unterschiedlichen Ansichten weiter festigen. 

Once Upon A Time In Hollywood
Rick Daltons Karriere als Westernheld sind scheinbar gezählt.

Once Upon A Time In Hollywood: Die Handlung

Die Karriere von Schauspieler Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) läuft nicht mehr rund. Seit dem Ende seiner langjährigen Western-TV-Serie „Bounty Law“ bekommt er nur noch Angebote als Schurke der Woche bei anderen Serien. Und sein einziger Freund ist sein Stunt-Double Cliff Booth (Brad Pitt), der ihn durch die Gegend fährt, seit Dalton seinen Führerschein wegen Trunkenheit abgeben musste. Daher trifft sich Dalton mit seinem Agenten Marvin Schwarz (Al Pacino), der ihm zu einer neuen Karriere in Italien rät.

Und auch der Stern von Cliff Booth ist seit einem Vorfall mit Bruce Lee im Sinkflug. Daher fährt der Stuntman oft einfach durch die Gegend – und begegnet dabei immer wieder dem Hippie-Mädchen Pussycat (Margaret Qualley). Die lebt in einer Kommune, die von einem gewissen Charles Manson angeführt wird. Und der zeigt Interesse an Daltons neuen Nachbarn, dem polnischen Regisseur Roman Polanksi und seiner Gattin Sharon Tate (Margot Robbie) …

Once Upon A Time In Hollywood: Titel ernst nehmen!

Nicht immer haben die Namen von Tarantinos Filmen eine besondere Bedeutung. Aber den Titel Once Upon A Time … (dt. Es war einmal …) sollte der Zuschauer ernst nehmen. Obwohl Tarantino sich mit den Morden der Manson-Family 1969 einen düsteren, historischen Moment Hollywoods herausgesucht hat, geht er damit ähnlich um wie in seinem Weltkriegs-Thriller „Inglorious Basterds“, in dem er den Ausgang des Zweiten Weltkrieges sehr frei interpretierte. Das tut Tarantino auch hier, denn wie sein Märchen ausgeht, das möchte der Meister schon selbst bestimmen.

Und so baut der Autor und Regisseur nicht nur Erwartungshaltungen auf, die er gern unterläuft, sondern präsentiert seinen Fans auch viel typische Tarantino-Kost. Und dabei lässt er sich erneut viel Zeit. Schon in „The Hateful Eight“, den er mittlerweile sogar als vierstündige Mini-Serie bei Netflix USA unterbrachte, erzählte er seine Story sehr langsam. Auch in den 163 Minuten Once Upon A Time In Hollywood passiert gar nicht sonderlich viel. Bei Tarantino war aber schon immer nicht nur wichtig, was passiert, sondern auch, wie etwas über die Bühne geht.

Once Upon A Time In Hollywood
Cliff Booth, Daltons Stunt-Double und Freunde, sieht’s entspannt.

Once Upon A Time In Hollywood: Wenn Coolness einen Namen hat …

Das beginnt schon damit, wie Tarantino seine Stars in Szene setzt. Leonardo DiCaprio als Rick Dalton ist ein emotional stets vor dem Überkochen stehender Schauspieler, der seine Tränen oft kaum halten kann. Und dem der Regisseur traumhafte Dialoge, unter anderem mit einem kleinen Mädchen, ins Drehbuch schrieb. Tarantinos Filme sind immer auch Ansammlungen absolut brillanter Szenen – und DiCaprio hat in Once Upon A Time In Hollywood einige davon. Die er intensiv immer knapp vorbei an der Parodie spielt – und einfach großartig ist.

Brad Pitt hingegen ist als Cliff Booth so cool, wie es der Schauspieler vielleicht noch nie war. Mit wenigen, knappen Sätzen und stoischer Miene skizziert er einen tief in sich ruhenden Macho, der sich von nichts und niemandem aus der Fassung bringen lässt. Als Gegenpol zum regelmäßig hyperemotionalen Dalton passt die Rolle perfekt – und Pitt füllt sie grandios mit Leben. Und er steht auch im Mittelpunkt der wenigen, actionreichen Szenen des Films. Hauptsächlich sieht der Zuschauer den Schauspieler aber entspannt durch L.A. fahren. Ein Bekenntnis zur Langsamkeit – auch des Films.

Once Upon A Time In Hollywood
Sharon Tates Stern geht 1969 gerade richtig auf. Zudem erwarten sie und Gatte Roman Polanski ein Kind.

Once Upon A Time In Hollywood: Bittersüßer Abschied

Obwohl noch (mindestens) ein Film folgen soll, fühlt sich Once Upon A Time In Hollywood nach Abschied an. Tarantino verabschiedet sich hier ein wenig wehmütig von seiner Kindheit, die er in Los Angeles verbrachte und dessen frühe Erinnerungen genau in die Zeit fallen, in der der Film spielt – 1969. Und er inszeniert einen Schwanengesang auf die Zeit der großen Filmstars, die in den späten 60ern – auch durchs Fernsehen – langsam ausdünnten und ihre Strahlkraft verloren. Zudem hat Tarantino Spaß daran, Andeutungen zu machen, die er aber nie gänzlich auflöst.

Ist mit Rick Dalton beispielsweise Clint Eastwood gemeint, der nach einer Karriere als TV-Western-Star nach Italien ging und dort zur Spaghetti-Western-Ikone wurde, bevor er als gefeierter Kinostar in die USA zurückkehrte? Gut möglich, eindeutig wird Tarantino aber nie. Das Spielen mit den Möglichkeiten von Film und Dramaturgie, die der Filmemacher schon immer gut beherrschte, treibt er mit Once Upon A Time In Hollywood jedenfalls auf ein Allzeit-Hoch. Und das Talent, die Stimmung des Films in Sekunden kippen zu lassen, ist auch noch immer da.

Tarantinos Film bietet Kritikern eine Menge Angriffsfläche, da er wenig Story erzählt und die auch noch, obwohl an wahren Ereignissen aufgehängt, so verändert, wie er es für richtig hält. Und in anderen Werken, wie dem Auftakt von Inglorious Basterds zum Beispiel, gibt es Szenen, deren Intensität Tarantino hier nie erreicht. Kritik ist also durchaus nachvollziehbar. Dennoch ist der Film für Kenner der alten Hollywood-Schinken und Fans des Regisseurs ein absoluter Hochgenuss. 

Fazit:

Grandiose Schauspieler in einer ultra-coolen, brutalen und sehr emotionalen Achterbahnfahrt in Zeitlupe – das ist Once Upon A Time in Hollywood. Quentin Tarantino präsentiert hier exakt das, wofür seine Fans ihn lieben. Und womit andere Kinofans einfach nicht warm werden. Wer aber von den schrägen Dialogen, der lustigen Grundstimmung, die jederzeit in blutiges Grauen kippen kann und dem lakonischen Ton Tarantinos nicht genug kriegen kann, für den ist der neue Film ein Highlight des Kinojahres.

Once Upon A Time In Hollywood startet am 15. August in den deutschen Kinos.

Tarantino erinnert sich mit diesem Film auch an seine eigene Jugend in Hollywood – und die damalige Optik.