Jugend ohne Gott

Filmkritik: Jugend ohne Gott

Bereits 1937 erschien der Roman „Jugend ohne Gott“ des Schriftstellers Ödon von Horvath und gilt bis heute als klare Attacke auf den Nationalsozialismus. Davon ist in der spannungsbetonten Verfilmung von Alain Gsponer nicht sehr viel übrig geblieben, denn der Film verlegt seine Handlung in eine nahe Zukunft.

Wenn ein Klassiker, den viele in der Schule lesen mussten, als Verfilmung in die Kinos kommt, machen manche einen weiten Bogen um den Film, da sie eine trockene Umsetzung und viel zu schweren Stoff fürchten. Ob das in diesem Fall auch so ist, beantwortet die Kritik.

Jugend ohne Gott
Mit Mitschüler Titus kann Zach nur wenig anfangen, der schwer reiche Schnösel hat nur Verachtung für andere übrig.

Jugend ohne Gott: Die Handlung

Eine nicht näher bestimmte Zukunft in Deutschland: Eine Gruppe Schüler fährt in ein Lager in den Alpen, um sich dort in harten Trainings für eine Elite-Universität zu empfehlen. Der junge Zach (Jannis Niewöhner) hat gerade seinen Vater durch Selbstmord verloren und ist nicht so recht an der Karriere interessiert. Sehr zum Unwillen seiner zugeteilten Partnerin Nadesh (Alicia von Rittberg), die sich von ihm Hilfe bei der Erreichung des Ziels erhofft hat. Als Zach im Wald dann auch noch auf die Ausgestoßene Ewa (Emilia Schüle) trifft und sich in die schöne Unbekannte verliebt, hält ihn wenig im Lager. Doch dann erwischt er Nadesh dabei, wie sie sein Tagebuch liest, das er seit dem Tod des Vaters führt und greift die junge Frau an. Das setzt eine Kette von Tragödien in Gang, die letztlich Leben kosten …

Jugend ohne Gott: Flotter Klassiker

Das Wichtigste zuerst: Jugend ohne Gott ist keineswegs eine dröge Schullektüren-Verfilmung mit tonnenschweren Botschaften. Sondern erinnert deutlich stärker an die modernen „Young Adult-Dystopien“ wie „Die Tribute von Panem“ oder „Divergant„. Hier wir dort stehen sympathische und angesagte Jungstars im Fokus, die eine mehr oder weniger düstere Zukunft vor sich haben. Doch wo im Hollywood-Kino die Action regiert, erzählt Gsponer seine Geschichte ruhiger und deutlich charakterbezogener. Und er erzählt seine Geschichte gleich mehrmals. Erst aus der Sicht Nadeshs, dann aus Zachs Perspektive und schließlich noch aus der des Lehrers, der die Jugendlichen begleitet. Bei jedem mal erfährt der Zuschauer weitere Facetten dessen, was tatsächlich geschehen ist. Und so bleibt die eigentlich kurze Handlung bis zum Ende spannend.

Dabei lässt er die Themen und die Handlung des Buches zwar nicht komplett außer Acht, wechselt aber die Prioritäten. Statt den Lehrer (Fahri Yardim) ins Zentrum zu stellen, wie der Roman es tut, dient hier der junge Zach als Hauptprotagonist. Und der muss sich nicht in einer Naziwelt behaupten, sondern in einer extrem kalten Leistungsgesellschaft, die Unangepasste gnadenlos durch den Rost fallen lässt. Puristen werden die Verfilmung daher eventuell nicht mögen, der Inhalt passt dadurch aber deutlich besser zur aktuellen Lage der Nation.

So ganz müssen aber auch Literaturfans nicht auf Gewohntes verzichten. Denn die Roman-Passage über die Seele der Menschen, die fischgleich unbeweglich und kalt werde, findet sich auch im Film. Hier sind es einige der Mitschüler wie der chronisch angepasste Titus (Jannik Schümann) oder die Lagerleiterin Loreen (Anna Maria Mühe), die aus Filmen wie „Equilibrium“ oder „1984“ stammen könnten. Insofern finden sich die Themen, die über die damalige Zeit hinausgehen, durchaus auch im Film wieder.

Jugend ohne Gott
Iris Berben spielt die Direktorin der Schule, in der ein eisernes Leistungsprinzip herrscht.

Jugend ohne Gott: Starke Besetzung

Neben Yannis Niewöhner und den „Charité“-Stars Emilia Schüle und Alicia von Rittberg sind auch einige kleinere Rollen edel besetzt. So ist Iris Berben als Direktorin zu sehen, Katharina Müller-Elmau und Steffen Wink sind ebenfalls dabei. (Niewöhner, Schüle, Schümann und Berben sind auch bald in der deutschen Komödie „High Society“ gemeinsam auf der Leinwand zu sehen). Aber auch sie können nicht komplett gegen die mitunter hölzerne und kühle Inszenierung anspielen. Das macht den Film ein wenig schwächer, als er hätte sein müssen. Denn die kalte Welt, die Gsponer in seiner Handlung anprangert, sieht in seinen Bildern einfach einen Tick zu gut aus, um wirklich Angst zu machen.

Punkten kann Jugend ohne Gott hingegen mit der Erzählweise. Schicht um Schicht und Perspektive um Perspektive zeigt sich die Wahrheit nur langsam. So erinnert er an Klassiker wie Akira Kurosawas „Rashomon“, der ebenfalls dieses Stilmittel verwendet. Besondere Religiösität braucht man zum Ansehen des Films trotz des Titels nicht. Denn von Horvath setzt in seinem Buch Gott mit einem Gewissen gleich und ein paar der Figuren finden so auch zu Gott als Stimme in ihrem Inneren – mehr Religion gibt es aber nicht. Außer, man sieht Geld und Macht mittlerweile als anbetungswürdige Dinge an.

Fazit:

Mit seinem modernen Dystopie-Ansatz und angesagten Jungstars lockt Jugend ohne Gott sicher vor allem jüngere Zuschauer an – und vor allem für die ist der Film auch gedacht. Älterem Publikum werden die teilweise etwas flach transportierten Botschaften hingegen wenig Neues erzählen. Dafür kann der Film mit toller Besetzung und interessantem Inhalt aufwarten, der durchgehend spannend bleibt und gut unterhält.

Jugend ohne Gott startet am 31. August in den deutschen Kinos.

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Jugend ohne Gott
Der Lehrer (Fahri Yardim) würde gern gegen das System aufbegehren, doch ihm fehlt der Mut.