Der Fall Collini

Filmkritik: Der Fall Collini

Schluss mit lustig? Nachdem Schauspieler Elyas M’Barek in den vergangenen Jahren eher mit Komödien und zu Herzen gehenden Filmen seine Karriere ankurbelte, wird er jetzt ernsthafter. Als junger Anwalt soll er in „Der Fall Collini“ einen scheinbar eiskalten Killer verteidigen. Die Buchvorlage zum Film stammt von Ferdinand von Schirach, dem momentan vielleicht angesagtesten Autoren von Krimi-Stoffen in Deutschland. Kann der Film den Buch-Erfolg wiederholen?

Warum Ferdinand von Schirach so dichte und glaubhafte Storys schreiben kann, liegt auf der Hand. Der mittlerweile 55-jährige arbeitete selbst lange Jahre als Jurist. Und kennt daher sowohl die menschliche Natur in Sachen krimineller Energie als auch den Gerichts-Alltag aus dem Effeff. Eines der Frühwerke von Schirach – er veröffentlichte 2009 sein erstes Buch und Der Fall Collini stammt aus dem Jahr 2011 – wirkt wie ein authentischer Fall, ist aber ausgedacht. Das Kernthema des Films ist allerdings echt – aber auch gut?

Der Fall Collini
Junganwalt Caspar Leinen soll den mutmaßlichen Mörder eines Großindustriellen verteidigen. Doch sein Mandant schweigt.

Der Fall Collini: Die Handlung

Berlin im Jahr 2001. Der junge Anwalt Capsar Leinen (Elyas M’Barek) wird als Pflichtverteidiger für den 70-jährigen Italiener Fabrizio Collini (Franco Nero) gerufen, der unzweifelhaft den Groß-Industriellen Jean-Baptiste Meyer (Manfred Zapatka) auf grausamen Weise in dessen Hotelsuite ermordet hat. Erst als Leinen den Job offiziell vom Gericht zugeteilt bekommt, muss er feststellen, dass er das Opfer persönlich gut kannte, wenn auch unter einem anderen Namen. Es ist der Großvater seiner Jugendliebe Johanna (Alexandra Maria Lara). Und auch er selbst wuchs mit Meyer auf.

Als er das Mandat schon niederlegen will, empfiehlt ihm sein alter Jura-Professor Richard Mattinger (Heiner Lauterbach), Collini zu verteidigen, um sich selbst einen Namen zu machen. Tatsächlich tritt Mattinger in dem Fall als Nebenkläger für die Familie auf und hofft so auf einen schwachen Gegner. Doch Leinen nimmt seinen Job ernst, obwohl sein Mandant noch immer kein einziges Wort als Taterklärung gesagt hat. Obwohl er einen Bruch in der Freundschaft zu Johanna riskieren muss, beginnt Leinen zu recherchieren. Mit erschütternden Folgen …

Der Fall Collini: Eine Frage der Ehre?

Obwohl die Fälle ganz anders sind und Der Fall Collini im letzten Drittel in historische Dimensionen abtaucht, gibt es immer wieder Szenen, in den der Film an Rob Reiners Gerichts-Klassiker „Eine Frage der Ehre“ mit Tom Cruise und Jack Nicholson erinnert. Vor allem das Duell zwischen Lauterbach und M’Barek ruft diese Assoziation bei Filmfans hervor. Zumal es in beiden Fällen letztlich um moralische Fragen geht, die mit Militär und Krieg zu tun haben. Und Leinens Team ähnlich unkonventionell zusammengestellt ist wie das von Tom Cruise damals.

Inhaltlich haben die Filme aber letztlich doch weniger miteinander zu tun. Denn während bei Reiner das Psycho-Duell eine zentrale Rolle spielt, geht Schirachs Stoff in eine andere Richtung. Er will anhand dieses fiktiven Falles eine tatsächliche Ungeheuerlichkeit deutscher Rechtssprechung anprangern. Und das gelingt dem Film in beeindruckender Weise. Denn die letzte halbe Stunde von Der Fall Collini erreicht eine Intensität, die dem Zuschauer ein unbeteiligtes Zusehen fast unmöglich macht. Was der Film auch einer starken Leistung des 78-jährigen Franco Nero verdankt.

Der Fall Collini
Erschwerend für Leinen: Er kennt die Familie des Toten sehr gut, seine Jugendliebe Johanna ist die Enkelin des Opfers.

Der Fall Collini: Nicht nur komödientauglich

Aber auch Elyas M’Barek, der als zentrale Figur im Film fungiert, bei dem fast alle Handlungsstränge zusammenlaufen, zeigt hier, dass er deutlich mehr kann als Hilfslehrer Zeki Müller zu spielen. Seinem Caspar Leinen nimmt der Zuschauer das echte Interesse an dem Fall, seine Empathie mit dem Täter und seinen Kampf um Gerechtigkeit, wie er sie versteht, jederzeit ab. Die kluge Rollenauswahl M’Bareks legt in jedem Fall die Basis für ein demnächst hoffentlich breiteres Spektrum an Charakteren, die der Publikumsliebling spielen wird.

Nicht immer überzeugend ist hingegen die Inszenierung von Marco Kreuzpaintner. Während ihm bei seiner vorherigen Arbeit, der Amazon-Serie „Beat“, die Techno-Clubs und dunklen Straßen Berlin hervorragend in die Karten spielten und er eine atmosphärisch dichte Story stark bebilderte, ist Der Fall Collini optisch nicht ganz so intensiv. Zwar schaut sich Kreuzpaintner den einen oder anderen Trick bei US-Gerichtsdramen ab. Insgesamt wirkt sein Film aber ein wenig spröder als vergleichbare Hollywood-Filme. Damit allerdings auch ernsthafter.

Dennoch fängt Kreuzpaintner den Kern der Geschichte gut ein. Und errichtet in den zwei Stunden Laufzeit ein komplexes Gebilde aus Fragen nach Schuld und Verantwortung. Und dazu passenden, unangenehmen Antworten. Ein Trio aus Drehbuch-Autoren vereinfacht dazu zwar die Romanhandlung ein wenig und strafft sie auch, verliert aber das emotionale Zentrum nicht aus den Augen. Und deshalb sei Der Fall Collini Fans von anspruchsvollen Kriminalgeschichten auch unbedingt ans Herz gelegt.

Fazit:

Starke Darsteller, allen voran Eylas M’Barek und Franco Nero, und eine bis in die heutige Zeit nachwirkende juristisch umstrittene Entscheidung in der noch jungen Bundesrepublik machen aus Der Fall Collini eine tückisch glimmende und im letzten Drittel aufflammende Anklage. Die mit zwei Stunden vielleicht ein wenig zu lang geraten ist, aber über weite Strecken das Interesse am möglichen Motiv des Täters hochzuhalten vermag. Und mit einem hochemotionalen Finale kaum jemandem im Publikum kalt lassen dürfte.

Der Fall Collini startet am 18. April 2019 in den deutschen Kinos.

Der Fall Collini
Als Collini doch noch in den Zeugenstand tritt, nimmt die Verhandlung eine ungeahnte Wendung.