Coco

Filmkritik: Coco

Schon seit einigen Jahren geht der Animationsgigant Pixar neue Wege und erzählt Geschichten, die deutlich origineller und abseitiger sind, als der klassische Disney-Stoff. Das gilt auch für „Coco“, der sich als Setting ausgerechnet das mexikanische Fest der Toten ausgesucht hat. Wie gut ist der Ausflug in Mythologie und Kultur des mittelamerikanischen Landes geraten?

Wenn eines der bedeutendsten mexikanischen Feste überhaupt bislang Teil von Filmen war, dann eher im ernsten Fach. Die Literaturverfilmung „Unter dem Vulkan“ spielt am Tag der Toten, auch „Spectre“, der bislang letzte Bond-Einsatz, zeigt Daniel Craig im Filmauftakt in der mexikanischen Hauptstadt während dieses Festes. Funktioniert das Gedenken an verstorbene Familienmitglieder tatsächlich auch im Bereich der Familienfilme wie Coco?

Coco
Namensgeberin Coco ist zwar niedlich, im Film aber nur eine Nebenfigur. Der eigentliche Held ist Urenkel Miguel.

Coco: Die Handlung

Der junge Miguel möchte nichts mehr, als seinem Idol Ernesto de la Cruz nachzueifern, dem größten Sänger, den Mexiko je hervorbrachte. Leider ist Miguels Familie seit einem Zwischenfall vor vielen Jahren ein erklärter Musikgegner. Denn der Vater von Miguels Urgroßmutter Coco, hat für die Karriere seine Frau und Tochter verlassen – und kehrte nie zurück. Seitdem ist bei den Riveras Musik verboten – das Schuhe machen steht seit Generationen im Vordergrund.

Doch Miguel will sich damit nicht abfinden. Damit er bei einem Talentwettbwerb mitmachen kann, versucht er, die Gitarre seines Idols aus dessen Mausoleum auf dem örtlichen Friedhof zu leihen – und gerät so aus versehen in die Welt der Toten, die an diesem Tag durch eine Brücke mit dem Reich der Lebenden verbunden ist. Weil seine tote Familie in Sachen Musik ebenso unnachgiebig ist wie seine lebende, sucht Miguel verzweifelt nach seinem Ur-Ur-Großvater, der für seinen Wunsch wohl als einziger Verständnis aufbringen könnte und ihn in seine Welt zurückbringen kann – Ernesto de la Cruz …

Coco: Tolle Optik, Standard-Geschichte

Pixar hat in den vergangenen Jahren, seit Disney die Animationsexperten komplett übernommen hat, zwei Sorten von Filmen herausgebracht. Entweder gingen sie den Weg der sicheren Fortsetzungen wie „Findet Dory“ oder „Cars 3„, die nicht alle gelungen waren. Oder Pixar traute sich an ungewöhnliche Stoffe in originellen Settings und mit ausgefallenen Geschichten wie „Alles steht Kopf“ oder „Arlo und Spot“ – die ebenfalls nicht alle überzeugten. Mit Coco hat Pixar nun einen Film produziert, der sich aus beiden Richtungen bedient. Das Setting des mexikanischen Tages der Toten ist originell. Die Handlung hingegen klassisches Disney-Terrain mit dem Hohelied auf Familie und Freundschaft.

Optisch ist Coco eine glatte Eins – wenn man denn die grellbunte Totenwelt erträgt. An Farbe hat Pixar hier nicht gespart, und dazu viele wundervolle Ideen zu Welt und Bewohnern der Totenwelt geschaffen, an denen man sich kaum satt sehen kann. So gelingt es den Kaliforniern, eine leicht morbide Stimmung zu erzeugen, ohne die kleineren Zuschauern zu verschrecken. Dazu entwirft Regisseur Lee Unkrich, Urgestein bei Pixar und auch an der Entwicklung der Story beteiligt, einige gelungene Charaktere und etliche, schmissige Musiknummern, die einfach Spaß machen.

Coco
In Miguels Familie hat man zum Thema Musik – und Musikern – recht drastische Ansichten.

Coco: Spaß mit ernsten Untertönen

Dabei gelingt es Unkrich sehr sicher, stets auf dem schmalen Grat zwischen zuviel Kitsch und zuviel Ernsthaftigkeit zu wandeln, ohne je daneben zu treten. So schafft er auch melancholische Momente, wenn Tote, an die sich niemand mehr erinnert, sich plötzlich auflösen. Und Uroma Coco durch ihre Demenz die Erinnerung an ihren Vater zu verlieren droht – dem daher das gleiche Schicksal droht. Auch Schein und Sein spielt im neuen Pixarfilm eine große Rolle, den nicht jede Figur ist tatsächlich die, als die sie zu Beginn erscheint.

Als Ausgleich greift Pixar tief in die Kiste der lustigen Nebenfiguren. So ist Hund Dante einer der albernsten Sidekicks bisher, kann aber gerade dadurch die düsteren Momente des Films schnell aufbrechen. Und wird so wohldosiert eingesetzt, dass er auch ein erwachsenes Publikum nicht nervt. Ohnehin gelingt Pixar mit Coco der Spagat als Spaß für die ganze Familie erneut ausgezeichnet. Hier haben sowohl die älteren wie auch die jüngeren Zuschauer viel zu sehen und zu staunen.

Fazit:

Sicher ist Coco nicht der beste Pixarfilm aller Zeiten. Aber dennoch eine ganz sichere Bank für 110 Minuten Spaß im Kino, der themenbedingt aber durchaus auch ein paar dunkle Momente aufweist. Der Mut zu einem in Europa eher unbekannten Brauch aus Mexiko steht dem Film gut, bei der Story geht Pixar als Ausgleich dafür eher bekannte Disney-Wege. Das macht Coco recht berechenbar für ein erwachsenes Publikum, aber nicht weniger charmant. Und optisch ist der neue Animationsfilm der Computer-Pioniere ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Damit ist Coco ein Kinoausflug, der sich vor allem für Familien lohnt.

Coco
Kann Ernesto de la Cruz (Mitte), auch im Jenseits ein Megastar, Miguel dabei helfen, wieder in die Welt der Lebenden zurückzukommen?