Beale Street

Filmkritik: Beale Street

Regisseur Barry Jenkins gewann mit seinem zweiten Spielfilm „Moonlight“, für den er auch das Drehbuch schrieb, nicht nur den Oscar als bester Film, sondern heimste weltweit Preise im Dutzend ein. Dass er nicht nur eine Eintagsfliege ist, will er nun mit „Beale Street“ beweisen, in dem er erneut eine afro-amerikanische Geschichte erzählt, die gleichzeitig furchtbar und poetisch ist. Kann Jenkins mit dem neuen Film an seinen Welterfolg anknüpfen?

James Baldwin (1924-1987) gehört nicht nur zu den wichtigsten afro-amerikanischen Schriftstellern, sondern hat auch mit Film zu tun. „I am not your Negro“, in dem Baldwin eine wichtige Rolle spielt, war 2017 für den Oscar als bester Dokumentarfilm nominiert. Baldwins Romane wurden aber noch nicht für das große Hollywood-Kino entdeckt – bis jetzt. Denn Jenkins‘ Beale Street basiert auf Baldwins Buch „Beale Street Blues“. Welchen Blick auf das Leben der Schwarzen im New York der frühen 70er Jahre bietet der Film?

Beale Street
Trish und Fonny kennen sich schon, seit sie Kleinkinder waren. Doch nun haben sie sich ineinander verliebt.

Beale Street: Die Handlung

Sie kennen sich schon seit Kindertagen. Doch nun hat es zwischen dem 22-jährigen Bildhauer Alonzo, genannt Fonny (Stephan James) und der 19-jährigen Verkäuferin Trish (KiKi Lane) gefunkt. Die beiden werden ein Paar. Fonnys Familie ist davon zwar nicht begeistert, aber Trishs Vater Joseph (Colman Domingo, „Fear the Walking Dead“) und Mutter Sharon (Regina King) stehen hinter der Entscheidung ihrer Tochter für Fonny – auch als Trish schwanger wird. Doch dann schlägt das Schicksal unbarmherzig zu.

Denn ein Vergewaltigungsopfer will Fonny bei einer Gegenüberstellung als Täter erkannt haben, obwohl der junge Mann eigentlich beweisen kann, dass er zur Tatzeit kilometerweit entfernt vom Tatort war. Doch dazu bräuchte es einen Prozess – und der steht wegen völlig überlasteter Gerichte in den kommenden Monaten – vielleicht sogar Jahren – nicht an. Sharon versucht daher, die Frau zu finden, die Fonny wiedererkannt haben will. Doch die Latina hat sich mittlerweile in ihre alte Heimat Puerto Rico abgesetzt. Was kann Fonny nun noch tun?

Beale Street: Rassismus als Grundgerüst

Barry Jenkins gelingt mit Beale Street etwas Besonderes. Denn er erzählt eine Liebesgeschichte voller Poesie und wunderschöner Bilder. Und nur selten tritt der Rassismus offen zutage, wie in einer Szene, in der ein Cop (schön fies: Ed Skrein) auf Fonny losgeht, weil der einen Weißen davon abhalten wollte, Trish zu betatschen. Und dieser Moment ist für alle Beteiligten ganz selbstverständlich. Niemand wundert sich über die Reaktion der Leute, die daran beteiligt sind. Eine Ausnahme, denn meist geht Jenkins in seinem Film viel subtiler vor.

In seinem Film ist der Alltags-Rassismus oft so allgegenwärtig, dass Szenen, in denen es tatsächlich akut um rassistische Angriffe geht, gar nicht nötig sind. So ist ein Moment, in der ein weißer Geschäftsmann von Trish verlangt, ein Parfum zu benutzen, das er vielleicht kaufen will, und ihm ihren Arm zu geben, damit er daran riechen kann, schlimm genug. Auch hier spricht die Selbstverständlichkeit, mit der Trish sich fügt, obwohl sie das Ganze deutlich sichtbar als unangenehm empfindet, Bände. In diesen Momenten erreicht Jenkins die maximale Wirkung.

Beale Street
Trishs Eltern wollen sofort helfen, nachdem Fonny unschuldig im Gefängnis landet.

Beale Street: Mehr als nur ein Drama

Dazu schafft Jenkins eine breite Gefühlsspanne, wenn er das zarte Annähern von Trish und Fonny in wundervollen Farben von Kameramann James Laxton einfangen lässt. Und den harten Alltag in ein gänzlich anderes Licht taucht. So darf sich der Zuschauer auch immer wieder an der Liebe erfreuen, bevor ein neuer Tiefschlag ihn in die Wirklichkeit zurückholt. Denn wie schwer es ist, dem unschuldigen Fonny zu helfen, muss vor allem Trishs Mutter Sharon, oscarprämiert von Regina King gespielt, am eigenen Leib erfahren.

Denn sie und ihre Familie versuchen alles, um Fonny noch vor der Geburt seines Kindes aus dem Gefängnis zu holen. Doch das US-Justizsystem ist ein mächtiger Gegner, wie bald klar wird. Und so werden die Versuche, etwas zu erreichen, immer wieder zu Kämpfen gegen Windmühlen. Wie wenig überraschend die Betroffenen auf immer neue Rückschläge reagieren, gehört zu den schlimmsten Momenten des Films. Und zeigen, wie sehr sich Baldwins Literatur schon von Dramen wie „Mississippi Burning“ weiterentwickelt hatte.

Jenkins verlässt sich auch in seiner Drehbuch-Fassung auf die Beobachtungsgabe des Schriftstellers. Und erzählt von einer Liebe in schweren Zeiten, ohne deshalb seinen Film in bleischwerer Melancholie versinken zu lassen. Oder mit drastischen Bildern und Szenen seine Botschaft zu verbreiten. Wie sehr der Rassismus ein Teil der US-Gesellschaft ist, macht er gerade deshalb deutlicher als mancher Versuch, dem Thema allein einen ganzen Film zu widmen. Moonlight war definitiv kein One-Hit-Wonder, von Barry Jenkins werden Kinofans noch einiges hören.

Fazit:

Wunderschön, optimistisch, tieftraurig, wütend: Barry Jenkins spielt in seinem Moonlight-Nachfolger Beale Street virtuos auf der emotionalen Klaviatur des Kinos. Und zeigt den Alltagsrassismus der 70er Jahre fast beiläufig, während er eine der schönsten Liebesgeschichten des Jahres präsentiert. Ein Film, der einen aus unterschiedlichen Gründen schüttelt. Und wundervolle Bilder mit schrecklichen Inhalten kombiniert.

Beale Street startet am 7. März 2019 in den deutschen Kinos.

Beale Street
Die Aussage des Opfers brachte Fonny in den Knast. Kann Trishs Familie die Frau überzeugen, die Wahrheit zu sagen?