Entebbe

Filmkritik: 7 Tage in Entebbe

Die Flugzeug-Entführung der „Landshut“ im Oktober 1977 nach Mogadischu ist bei den meisten Deutschen eines der Schlüsselereignisse im so genannten „deutschen Herbst“. Dabei gehört die Entführung einer Air France-Maschine nach Entebbe ein gutes Jahr früher genauso zur deutschen Geschichte. Denn mit Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann befanden sich auch zwei deutsche Terroristen unter den Geiselnehmern. Ihre Story wurde nun verfilmt.

Historische Stoffe aus der jüngsten Vergangenheit sind kein leichtes Pflaster für Filmemacher. Denn die Ereignisse aus dem Jahr 1976 sind gut dokumentiert, vielen sind die Original-Fernsehbilder noch im Gedächtnis. Daher wählte der brasilianische Regisseur José Padilha („Narcos“) bewusst einen anderen Ansatz und erzählt die schicksalhafte Woche aus der Sicht der beiden deutschen Terroristen und einiger israelischer Regierungsmitglieder, die eine Wahl treffen mussten, wie sie mit der Erpressung umgehen sollten. Lohnt sich das im Kino?

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Als Touristen getarnt, bringen Böse und Kuhlmann das Flugzeug mit versteckten Waffen unter ihre Kontrolle.

7 Tage in Entebbe: Die Handlung

Juni 1976. Auf dem Flug einer Air France-Maschine von Tel Aviv nach Paris springen plötzlich vier Passagiere auf und bringen das Flugzeug mit Waffengewalt unter ihre Kontrolle. Darunter sind auch die beiden Deutschen Wilfried Böse (Daniel Brühl, „The Alienist“) und Brigitte Kuhlmann (Rosamund Pike), die es als ihre Pflicht ansehen, dem palästinensischen Volk bei ihrem Kampf gegen Israel zu unterstützen. Beiden reicht es nicht länger, nur mit Flugblättern und Demonstrationen für ihre Ansichten einzustehen.

Die Entführer lassen die Maschine nach Entebbe in Uganda fliegen, wo sie vom Diktator Idi Amin (Nonso Anozie) als Freunde begrüßt werden. Herrscht zuerst noch bei allen Entführern absolute Zuversicht, dass die israelische Regierung bald einlenken und palästinensische Gefangene freilassen wird, kommen Böse, Kuhlmann und ihren Verbündeten bald erste Zweifel, ob die Operation wirklich von Erfolg gekrönt sein kann. Bald laufen die Dinge für Böse und Kuhlmann aus dem Ruder …

7 Tage in Entebbe: Charakter statt Action

Obwohl die Macher sich an die historischen Fakten hielten, ist 7 Tage in Entebbe kein Actionthriller wie in früheren Verfilmungen des Stoffes. Stattdessen interessieren sich Padilha und Autor Gregory Burke mehr für die Menschen hinter der Nachricht. Und so ist der Film im Wesentlichen eine Ansammlung von Gesprächen der Beteiligten untereinander. Was der Spannung – so man mit dem Ende der damaligen Ereignisse nicht vertraut ist – aber keinen Abbruch tut.

Insbesondere die Dialoge zwischen Böse und dem französischen Flugzeugtechniker Jacques (Dénis Menochet, „Inglorious Basterds“) sind Highlights des Films, wenn sich der weltfremde Idealist und der mit beiden Beinen im Leben stehende Realist über ihre Sichtweise der Dinge austauschen. Jacques und einige andere Figuren sind es denn auch, die in Böse ein langsames, aber letztlich erfolgreiches Umdenken anstoßen. Das spielt Daniel Brühl glaubwürdig – und sehenswert.

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Peres und Rabin diskutieren leidenschaftlich über das richtige Vorgehen Israels.

7 Tage in Entebbe: Über die Schwierigkeit der Situation

Burke und Padilha machen hier nicht den Fehler, auf das komplexe Problem des Israel-Palästina-Konflikts einfache Antworten geben zu wollen. Sie beobachten lieber ihre Figuren, sei es im Flugzeug und später dem Flughafen von Entebbe, oder im Regierungssitz Israels, wo sich Jitzchak Rabin (Lior Ashkenazi) und Schimon Peres (Eddie Marsan) leidenschaftlich darüber streiten, ob und wie man mit den Terroristen umgehen soll. Während Peres aufs Militär setzt, will Rabin lieber verhandeln.

Und auch die besondere Würze darin, dass ausgerechnet zwei Deutsche an Bord zahlreiche jüdische Geiseln nehmen, thematisiert der Film – weil Böse und Kuhlmann es damals auch getan haben. Wie dieser Umstand auf die Welt wirken musste, war den Flugzeug-Entführern durchaus bewusst. Burkes Drehbuch entwickelt daraus eine klare These darüber, wie das Geiseldrama endete. Und warum es eigentlich auch nicht anders enden konnte – mit einer Ausnahme.

7 Tage in Entebbe: Dürfen Terroristen menschlich sein?

Denn das Ende der Woche lässt Böse und Kuhlmann in einem Licht erscheinen, das sicherlich nicht jedem gefällt. Allerdings ist das wohl so durch Zeugenaussagen verbürgt. Dennoch geht der Film hier das Wagnis ein, historisch als bösartig gebrandmarkte Figuren auch positiv darzustellen – und wird sich dafür sicher auch Kritik anhören müssen. Die allerdings eigentlich nicht fair wäre, denn Padilha zeigt in seinem Film die Entwicklung der beiden Hauptfiguren, die sich allmählich über die Konsequenzen ihres Handelns klar werden, deutlich und nachvollziehbar.

Wie der ganze Film ohnehin niemanden verteufelt oder in den Himmel hebt. Sondern seine Figuren als ganz normale Menschen zeigt, die für ihre unterschiedlichen Interessen und Überzeugungen drastische Maßnahmen in Kauf nehmen. Wer hier letztlich moralisch einwandfrei handelt – und ob das überhaupt möglich war – überlassen Padilha und Burke ihrem Publikum. Das gelingt ihnen auch deshalb so gut, weil der Film bewusst dokumentarisch erzählt ist. Und so die Tatsachen wirken lässt.

Fazit:

José Padilhas mutige Auseinandersetzung mit einem kleinen Teil des Konflikts, der zwischen Israel und Teilen der muslimischen Welt bis heute besteht, ist nicht nur dank seiner starken Schauspieler sehenswert – darunter eine fast perfekt deutsch sprechende Rosamund Pike. Er überzeugt auch durch seine authentische, nicht wertende Sicht auf die Ereignisse im Sommer 1976. Wer sich in jüngerer Geschichte gut auskennt, wird aber möglicherweise wenig Neues erfahren. Tipp: Wer nichts über die Entebbe-Entführung weiß, vor dem Kinobesuch nicht googeln!

7 Tage in Entebbe startet am 3. Mai 2018 in den deutschen Kinos.

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Während die Politik noch plant, trainieren Spezialeinheiten der israelischen Armee bereits den Ernstfall.